Mylady Adelshochzeit 01
er ein wenig heiser, während er offen ihre Figur musterte. „Es muss ein Jahr her sein. Emily, ich schwöre, jedes Mal, wenn ich dich sehe, bist du schöner geworden.“
Obwohl ihr Herz immer noch heftig pochte, betrachtete sie ihn kühl. „Und ich könnte schwören, Sir, dass Sie unter den Nachwirkungen einer durchzechten Nacht leiden, andernfalls würden Sie so etwas nicht sagen.“
„Darf ich dir keine Komplimente machen?“, fragte er ernst. „Was bist du so stachelig? Schmerzt es dich immer noch?“
Emily staunte. Einerseits hätte sie beinahe verächtlich gelacht, andererseits verlangte ein Teil von ihr, weitere solche Schmeicheleien zu hören. Sie ermahnte sich, zur Vernunft zu kommen. Was er auch sagen, wie er sie auch anschauen mochte, so kurz war ihr Gedächtnis nicht; ein paar Jahre zuvor, damals, als er von Tarquin Prügel bezogen hatte, hatte er jeden Beaumont, sie selbst eingeschlossen, nur mit Widerwillen und Wut betrachtet.
„Bitte keine Vertraulichkeiten, Sir. Worauf Sie anspielen, das gehört der Vergangenheit an und bedarf gewiss keiner Erörterung.“ Damit neigte sie grüßend den Kopf und wollte an ihm vorbei, doch er hielt sie mit rascher Hand zurück.
„Nicht so schnell“, bat er weich. „Doch, Emily, es bedarf des Redens. Ich hoffte schon länger, dich einmal allein zu treffen. Ich denke oft an dich … an das, was hätte sein können …“
Emily wand sich aus seinem Griff und trat zwei Schritte von ihm fort. Schnell schaute sie in die Runde, um zu sehen, ob sie beobachtet würden, und sah verärgert, dass es in der Tat so war. Der Bursche, dessentwegen sie überhaupt hier war, hatte sie inzwischen entdeckt! Sie runzelte die Stirn und seufzte verhalten. Welch verfahrene Situation! So würde sie bestimmt nichts über Tarquins Aufenthaltsort erfahren.
„Kennst du den?“
„Wen?“, fragte sie gespielt erstaunt.
„Den Kerl da drüben, der dich so anglotzt.“
Ohne Bedenken schüttelte sie den Kopf. Sie kannte ihn ja wirklich nicht, war sich jedoch sicher, dass sie ihn jetzt schon kennen würde, wenn Nicholas Devlin nicht aufgetaucht wäre. Aber es war ja eigentlich ein Glück, dass er dem zuvorgekommen war, denn sonst sähe er sie in diesem Moment mit dem Mann reden, und das hätte ganz bestimmt zu peinlichen Fragen geführt.
Dass ihr Bruder und ihr ehemaliger Verlobter sich immer noch aus dem Weg gingen, war Emily bewusst, und selbst wenn Nicholas ihr ein wenig Sympathie und Freundlichkeit zeigte, galt das gegenüber Tarquin bestimmt nicht. War der also in Schwierigkeiten, würde das, dessen war sie sich sicher, Nicholas höchste Freude bereiten.
Derweilen spähte der Viscount verstohlen zu dem Höckernasigen hinüber. Er kannte den Mann und wusste, womit er seinen Lebensunterhalt bestritt, denn er hatte dessen Dienste schon selbst in Anspruch genommen. Mickey Riley hatte nämlich ein paar außergewöhnlich hübsche Vögelchen unter seinen Fittichen. Auch, dass mit Riley nicht zu spaßen war, wusste Devlin, fürchtete ihn jedoch nicht, da der Bursche schlau genug war, von Höherstehenden respektvoll Abstand zu halten.
Als Mickey sich nun von Lord Devlin unverwandt beobachtet sah, wandte er sich schließlich irritiert ab und stolzierte die Straße hinab.
Emily nahm das mit Bedauern wahr; so war also ihr Treffen mit dem Fremden vereitelt worden. Außerdem bemerkte sie Nicholas’ veränderte Miene – er musterte sie neugierig. Bestimmt würde er sie gleich fragen, was sie ganz allein hier in der Whiting Street zu tun hatte.
Hastig wandte sie sich einem mit imposanten Pfeilern geschmückten Portal zu, auf dem ein glänzendes Messingschild verkündete: Woodgate & Wilson, Rechtsanwälte. Hinter der ein Stück offenen Tür sah man einen nüchternen Gang.
„Ich muss gehen, sonst komme ich zu spät. Mr. Woodgate wartet auf mich. Einen Guten Tag, Sir.“ Damit nickte sie verabschiedend, hob mit bebender Hand ihre Röcke und schritt betont selbstbewusst die Stufen hinauf und durch die Tür, die sie hinter sich zudrückte. Was sie den würdigen Herren Woodgate und Wilson sagen würde, wenn man sie um eine Erklärung für ihr Eindringen bäte, musste sie sich noch überlegen. Doch zumindest lag erst einmal ein gehöriger Abstand zwischen ihr und Devlins ein wenig verwirrender Gegenwart.
Nicholas schaute Emily mit schmalem Lächeln hinterher. Er glaubte, dass Riley an ihr interessiert war, und auch, dass sie umgekehrt Riley bemerkt hatte. Außerdem hatte sie, was diese
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