Mylady Adelshochzeit 01
sei es eben losgelassen worden. Abermals überschwemmte sie tödliche Verlegenheit. „Grässlicher Kerl!“, murmelte sie.
„Das galt hoffentlich Mr. Wilson, nicht mir“, sagte Mark trocken.
Emily lugte durch ihre langen Wimpern zu ihm auf und wagte ein schüchternes Lächeln.
„Soll ich gehen und ihn ausschimpfen?“, fragte Mark lächelnd.
Sie schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre blonden Locken unter ihrem Hut tanzten. „Nein, ich glaube, es lag nicht nur an ihm; was … was er sah, muss ihm seltsam vorgekommen sein.“ Sie grub ihre Zähne in ihre Unterlippe.
Kommentarlos reichte Mark ihr seine Hand, und sie ließ sich von ihm auf den Sitz helfen. „Vornehme junge Damen sieht man nicht oft in dieser Straße. Normalerweise werden sie von männlichen Angehörigen begleitet“, sagte er schließlich.
Das erschien Emily als wahrscheinlich. Ob er wohl als Nächstes wissen wollte, was sie hergeführt hatte? Um ihn abzulenken, sagte sie leichthin: „Bestimmt ist Mr. Woodgate netter als Mr. Wilson. Das eben war doch Mr. Wilson, nicht wahr?“
„In der Tat.“ Mark trieb die edlen Grauschimmel an und fädelte sich elegant in den Verkehr ein. „Mr. Woodgate war ein sehr anständiger Bursche, und auch Mr. Wilson war sehr nett – bis sein Geschäftspartner starb. Ich glaube, im Augenblick wird ihm allein alles zu viel.“
„Starb?“, rief Emily entgeistert.
„Ja, vor einigen Monaten, ganz plötzlich.“
Innerlich verfluchte Emily sich, weil sie vor Nicholas Devlin einen so krassen Fehler begangen hatte. Er musste vom Tod des Anwalts gewusst haben. Dass ihr ehemaliger Verlobter die Lüge durchschaut hatte, mit der sie sich ihm entzog, stach sie empfindlich.
„Wollen Sie mir nicht sagen, vor wem Sie sich verborgen hielten? Darf die Person nicht genannt werden?“
Als hätte er geahnt, woran sie gerade dachte! Ausweichend sagte sie: „Es war nur ein Bekannter, mit dem ich seit Langem nicht gesprochen hatte.“ Um weitere Fragen zu unterbinden, fuhr sie fort: „Ich muss für meine Mutter noch ein Geburtstagsgeschenk besorgen. Wären Sie so freundlich, mich in der Regent Street abzusetzen? Ich möchte zu Madame Joubert.“ Beim Gedanken an die Begegnung vor dem Geschäft der Schneiderin fiel Emily ein, dass Mark ihr ja versprochen hatte, nach Tarquin zu forschen. Wenn sie sich nach seinen Fortschritten erkundigte, könnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – weiteren Fragen ausweichen und etwas über ihren Bruder erfahren. Grübelnd schaute sie auf ihre Hände nieder. Warum eigentlich sollte Mark Hunter nicht erfahren, dass sie dem Mann aus dem Weg hatte gehen wollen, der um Haaresbreite ihr Ehemann geworden wäre?
„Wir haben immer noch nichts von Tarquin gehört“, sagte sie. „Haben Sie schon etwas herausgefunden, Mr. Hunter? Mein Vater macht sich inzwischen ernste Gedanken. Bisher meldete mein Bruder sich stets, wenn er in Schwierigkeiten war. Und das muss er sein, denn auch seine Vermieterin hat ihn seit Wochen nicht gesehen. Und er ist fortgeblieben, ohne die ausstehende Miete zu zahlen.“
Mark zügelte die Pferde ein wenig und betrachtete Emily aus den Augenwinkeln. Sie nagte an ihrer rosigen Unterlippe und verschlang nervös ihre Hände ineinander. Plötzlich schenkte sie ihm einen flehenden Blick.
Ein scharfes Ziehen schoss Mark durch den Körper, das nicht nur Begehren war, sondern eine Reaktion auf ihre süße Hilflosigkeit. Offensichtlich ging ihm Emily Beaumont zusehend tiefer unter die Haut, was ihn ein wenig verstörte. Vorhin in dem Korridor hätte er sie beinahe geküsst. Jetzt gerade war er schwer versucht, sie zu einem stillen Plätzchen zu entführen und es nachzuholen … aber er wollte ja Tarquin ausfindig machen, und sei es nur, um ihm die Leviten zu lesen, weil er Emily solchen Kummer verursachte. Als sie jetzt mit feucht schimmernden Augen zu ihm aufsah, tat sie Mark so leid, dass er rasch den Blick voraus auf die Straße richtete.
Er hatte eine vage Vorstellung, wo der elende Bursche sein könnte und was er trieb – mit Sicherheit etwas, das ein Mann auf keinen Fall einer unverheirateten Dame mitteilen sollte.
Sein Bruder war nämlich, von ihm nach Tarquin befragt, mit etwas herausgerückt. Jason und seine Gattin Helen waren aus einem Theater in der Drury Lane gekommen, als sie Tarquin, der ziemlich bezecht schien, in nicht sehr feiner Gesellschaft entdeckt hatten. Er lümmelte in einer dunklen Gasse, sehr beschäftigt mit einer ausgesprochen hübschen
Weitere Kostenlose Bücher