Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
Vom Netzwerk:
damaligen Entdeckungen hatten eben nur nicht die Tragweite des gegenwärtigen Fortschrittes, meinte er. Doch damals wurde die faule Saat gesät, die in der Moderne begeisternd aufging und ausgezeichnete Wachstumsbedingungen vorfand. Und Tralee – sie meinte, in Myrddin Ähnlichkeiten mit einem Indianer zu sehen.
    Palluck interessierte sich dafür, weshalb Myrddin seine Haare so lang und unzeitgemäß trug und weshalb er einen auffälligen Bart pflegte. Myrddin hatte sich niemals darüber Gedanken gemacht, doch nun mußte er darin ein verräterisches Merkmal einer anderen Zeit und seiner anderen Art sehen, so daß er Tralee eines Tages bat, ihm seine Haare zu kürzen und seinen Bart abzunehmen. Damit war die Frage nach dem Grund seiner Haartracht nicht beantwortet, aber der Anlaß, sich darüber täglich aufs neue Gedanken zu machen, war verschwunden.
    Tralee kümmerte sich normalerweise um den alten Palluck, dem sie seine Haare schnitt, das Kinn rasierte, und sie wollte sich an die Haare von Myrddin nicht heranwagen. Sie hatte sich an die Haare gewöhnt und ihrer Meinung nach gehörten sie zu ihm und standen ihm.
    So übernahm Brian die Aufgabe, Myrddins Haare zu schneiden, und verhalf ihm zu einer neuen Frisur und einem langweiligen Römerkinn, wie Myrddin es nannte. Tralee bemerkte nur beiläufig, daß er sich auch mit seinem neuen Haarschnitt sehen lassen könne. Brian ließ ihm die Haare etwas länger stehen, so daß sie ihm noch die Ohren bedeckten, jedoch nicht mehr auf die Schultern stoßen konnten. Sie fand sogar, daß er durch die neue Frisur an Ausstrahlung gewonnen hätte, obwohl sie das veränderte Gesicht von Myrddin zuerst erschreckt hatte. Er konnte seine Mimik anders ausspielen, wie sie sagte, was ihm nicht bewußt gewesen war, denn seit Jahrhunderten bewegte er seine Gesichtsmuskulatur gleich und konnte sich kaum vorstellen, wie Menschen darauf reagieren würden.
    Für ihn war es nur lustig, wie sie ihn bewundernd ansahen, doch es fehlte ihm die Eitelkeit, darüber entzückt zu sein. Myrddin besaß nur ein Mindestmaß an eitler Selbstdarstellung, das Äußerlichkeiten betraf und seine Fähigkeiten nicht mit einschloß. Er hatte selten eine so unbeschwerte Zeit in seinem Leben mit Menschen verbracht wie mit den drei von der Irene Bay. Und er genoß seine Freiheit, die er sich erspielt hatte, genoß das Licht der längeren Tage, die düster hinter dem Nebel aufgingen und verschwanden, begrüßte seine Gesellschaft und übte sich des Nachts in Wortspielen mit den Blondelfen, mit denen er zuvor niemals soviel zusammenhängende Zeit verbracht hatte.
    Die Leichtigkeit der Zeit lag wohl im wesentlichen darin, daß sie ihn nicht als Zeitwanderer, als Zauberer oder Seher erkannt hatten und die Menschen ihm keine Fragen über die Zukunft stellten, die er Menschen nicht mehr beantworten wollte. Er war ihnen ein einfacher, geheimnisvoller alter Freund geworden, der sie zu bereichern schien. Myrddin hatte Vertrauen zu Tralee gefaßt, obwohl er ihr immer noch mit einer gewissen Vorsicht begegnete. Er schätzte die kleine Brian, die einmal auch ihre jüngere Schwester Sheannad mitgebracht hatte, und er trank jeden Tag das bittere Wasser, das sie Kaffee genannt hatten und das ihm Herzklopfen verursachte.
    Palluck hatte seinen Whiskykonsum eingeschränkt, da ihm die Gesellschaft Myrddins über viele Stunden half, die er ansonsten durchgetrunken hätte. Wegen der guten Gespräche kam er nicht mehr auf den Gedanken, stets nach einer Whiskyflasche zu suchen. Das Rauchen seiner Pfeife hatte er ganz aufgegeben.
    Und Tralee war von der Seite der beiden Männer nicht mehr wegzudenken.
    Myrddin, dessen Spaziergänge auf die Bucht beschränkt blieben, war durch den schweren Nebel vor den Blicken fremder Menschen geschützt. Niemals ging er allein, sondern war meist in der Begleitung von Palluck oder Tralee. Brian kam sooft sie konnte in die Bucht und brachte dem Seher das Schimpfen bei – ein Schimpfen, das aus unanständigen Kraftausdrücken bestand. Sie lehrte ihn die feinen Facetten rhetorischer Phonetik und die Wirkungsweisen unterschiedlicher Betonungsvarianten, je nachdem, ob man einen Mann oder eine Frau beschimpfen wollte. Sie wies aber auch auf die Risiken hin und trug für Myrddin das gesamte Repertoire an Kraftausdrücken ihrer Schulklasse zusammen – wobei sich ihre Freundin Percey besonders hervortat. Das gesammelte Werk an Kraftausdrücken ordnete sie in drei Kategorien und lehrte sie Myrddin. Die Kategorien

Weitere Kostenlose Bücher