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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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zu Palluck – gekommen sei, um die Sprache der Gegenwart zu erlernen? Welches dieser Geheimnisse könnte er preisgeben, ohne daß sich die Menschen betrogen fühlten? Für jedes dieser Geheimnisse war es zu spät, da er sein Spiel zu weit vorangetrieben hatte. Und sollte er das bedauern, was ihm einen Schutz gewährte?
    Auch Tralee und der Zauberer gingen zusammen durch die Bucht. Sie sprachen, kokettierten, und Tralee verriet zuweilen zärtliche Gefühle für Myrddin, die er absichtlich überhörte. Er war sich bei ihr nie ganz sicher, ob sie ihn nur aushorchen wollte oder ob sie es ehrlich meinte. Besaß sie die Gabe, ihn zu vernebeln – oder war es seine Schwäche, sich von ihr vernebeln zu lassen? Er fühlte manchmal, daß seine Sinne und seine ungetrübte Wahrnehmung in ihrer Umgebung gemindert waren. Ob sie es vorsätzlich tat? Oder war es vielleicht nur ein Wesenszug an ihr, auf den er reagierte? Auf ganz unterschiedliche Weise war er von ihr gefesselt und konnte nicht genau sagen, woher dieses Gefühl kam. Und eben dieser Umstand, daß er es sich nicht erklären konnte, machte ihn unruhig. Tralee vermochte es, ihn menschlich hinzureißen, und konnte ihn lachen lassen, wie es Vivien nicht besser verstanden hatte. Und er dachte an die Einsamkeit seiner Jahrhunderte, die er überlebt hatte, die ihm eine bedingte Überlegenheit verschafften, die Tralee manchmal erschrocken spürte und mit den Worten kommentierte, daß er ein geheimnisvoller Puppenspieler sei. Und wenn sie von ihm als Puppenspieler sprach, meinte sie es in der weitesten Bedeutung des Begriffes. Jedenfalls fröstelte es sie in jenen Momenten, doch dann hakt sie sich wieder bei Myrddin ein und überspielte ihre Empfindung.
    Sie konnten viel Spaß miteinander haben, obwohl sie wußte, daß Myrddin sich nur für kurze Zeit auf den Shetlands aufhalten wollte und sich ihre Wege wieder trennen würden. Doch in dieser Hinsicht täuschte sie sich. Sie konnte nicht verstehen, mit welcher Hingabe er die Kraftausdrücke lernte, die Brian für ihn zusammengetragen hatte. Und über allem schwebte ein Gefühl des Abschiedes, und dies wurde von Tag zu Tag unerträglicher für sie.
    Myrddin selbst fühlte sich den Menschen gegenüber wie ein Verräter, wenn er nachts wach lag und nur so tat, als würde er ruhen, jedoch mit den Elfen sprach, die für die kunstvollen Puppen gehalten wurden, denen sie niemals zu nahe kommen sollten, aus Angst, daß man sie zerbrechen und ihnen einen unschätzbaren Schaden zufügen könnte. Die Menschen nannten ihn William, der er nicht war, und das quälte ihn. Myrddin war oft gespalten, was ihm das Alter in sein freundliches Gesicht trieb, und es fiel ihm schwer, gerade die Menschen zu betrügen, die ihm halfen, die ihn versorgten, die ihn schätzten und deren Vertrauen er gewonnen hatte.
    Mit der Zeit wurden die Vanyar ungeduldig. Sie wußten nicht genau, worauf sie warteten, da Myrddin wieder laufen konnte. Der Zauberer war genesen, und mit jedem Tag war er kräftiger geworden. Darüber hinaus hatte er mehr gelernt, als sie sich gewünscht hätten, da das Lernen die Zeit in Anspruch nahm, die sie warten ließ. Myrddin hatte ihnen ihren Unmut darüber zugestanden. Sie hatten ihm die Graumäntel gegeben, damit die Menschen sie sehen konnten, sie mit unwichtigem Lob bedachten und er mit ihnen ein Spiel treiben konnte, dem er selbst nicht mehr gewachsen schien. Es waren in ihm Gefühle geweckt worden, die schwerwiegend für den Menschenverstand werden konnten, wenn man sie nicht in ihrem Ursprung erstickte. Schließlich trug er auch Sorge für das Wohlbefinden der Vanyar. Was die Elfen Myrddin nicht wissen lassen wollten, erfuhr er auch nicht, noch hätte er es zu erahnen vermocht. Manchmal nur spürte er die Ungeduld der Blondelfen und gab sich Mühe, sie zu verstehen, wenn sie gemeinsame Wortspiele oder alte Erzählungen abrupt unterbrachen und in der Nacht nach draußen schwärmten. Manchmal spielten sie auch lustlos an dem Lederbeutel, in dem der Stein des Alnilam aufbewahrt wurde. Wegen Myrddin waren sie gekommen, hatten ihm das Leben gerettet und warteten nun auf einen alten Mann, der sich von den Menschen als seinen Artgenossen nicht mehr trennen konnte – die er vielleicht sogar schon Freunde nannte.
    Sie wollten zurück nach Calacirya, zurück nach Tirion und dort von der unrühmlichen Reise eines Sehers berichten, der sich in seiner Menschlichkeit verfangen hatte, der wie ein Mann in ein Weib gefahren war. Und davon

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