Myrddin
waren betitelt als 1. Harmlose und unverbindliche Beschimpfung Fremder, 2. Konkrete Beschimpfung gut Bekannter, unter Berücksichtigung spezifischer Charaktereigenschaften des Zu-Beschimpfenden, und 3. Beleidigungen, die in Handgreiflichkeiten mit juristischer Strafverfolgung enden.
So erstaunt Myrddin über die Präzision der Sprache von Brian war, die aus ihren Notizen ein philosophisches Handbuch sozialer Spannungsfelder hätte machen können, so sehr mußte er mit ihr über das Sammelsurium von modernen Kraftausdrücken lachen, mit denen man sich Menschen vom Leib halten konnte. Und trotzdem lernte er es gewissenhaft auswendig.
Palluck verhielt sich oft still, lauschte den Erzählungen und Geschichten von Myrddin und bedauerte ein wenig, daß er nicht selbst Puppenspieler geworden war und so schöne Geschichten, Märchen, Legenden und Lieder kannte wie sein Freund William Myrddin. Und je phantastischer die Geschichten wurden, desto häufiger erzählte er von Irene und seinem Schmerz, von seiner Sehnsucht, die ihn zuzeiten übermannte, und von seiner Freude über Tralee und Brian. Auf Spaziergängen in der Bucht – sofern die beiden alten Männer allein gingen – erzählte er auch von seiner Beziehung zu Tralee, von ihren schwach aufwallenden Leidenschaften, wenn sie manchmal zusammengelegen hatten, was allerdings nicht mehr vorgekommen war, seitdem er Myrddin am Strand gefunden hatte. Den Grund dafür konnte er sich nicht genau erklären. Vielleicht, so meinte er, läge es daran, daß sich Tralee zumindest körperlich von ihm getrennt habe und sich innerlich Myrddin verwandter fühle. Vielleicht aber läge es auch an ihm selbst, da er einen Freund in Myrddin gefunden habe, den er eigentlich immer in Tralee gesucht hätte, doch eine reine Kameradschaft zwischen Mann und Frau sei eben nicht ohne weiteres möglich. Es artete oft in körperliche Nähe aus, die Mißverständnisse in sich barg. Dennoch habe Tralee ihm viel geben können und er habe ihre Wärme und ihr Verständnis geschätzt, die sie für ihn stets aufgebracht habe. Seine Liebe aber gehöre seiner Irene, der Meerjungfrau, die ihn habe alt werden lassen, ohne jemals seine Jugend empfunden zu haben.
Palluck vertraute Myrddin auch an, daß Miles O’Curry ihm ein Vermögen hinterlassen habe, da er nach dem II. Weltkrieg in Kanada auf eine Goldader gestoßen, die über seinen Grundbesitz gelaufen sei. Dieses Vermögen würde er Brian und Tralee vermachen, sollte ihm etwas zustoßen. Sein Testament sei bei einem Anwalt in Edinburgh hinterlegt, da er dem juristischen Schurken in Lerwick nicht traue, den er durch Andrew and Faith kennengelernt habe. Und sein Wille sei, daß Tralee und Brian jeweils die Hälfte seines Vermögens erben und Tralee bis zur Volljährigkeit Brians den gesamten Nachlaß verwalten solle. Außerdem seien diesem Anwalt auch sämtliche Konten bekannt, auf denen er, Jeremiah Palluck, seine Gelder angelegt habe.
Palluck erzählte es Myrddin, um ihn wissen zu lassen, daß er ihm vertraute und ihm Glauben schenken könne. Es sei sowieso nur für den Fall, daß etwas passierte. Myrddin sollte dann Tralee davon in Kenntnis setzen. Palluck dachte gar nicht daran, das Myrddin seine eigenen Wege gehen wollte und sich dadurch nicht um die Angelegenheiten seines neuen Freundes würde kümmern können. Doch trotzdem war Myrddin über die Offenheit Pallucks erfreut, da er in kurzer Zeit gelernt hatte, daß das Geld die bedeutendste Rolle im Leben eines Menschen spielte und man normalerweise selbst mit Freunden nicht bereitwillig über seine Schätze sprach. Myrddin wollte dieses Vertrauen erwidern, wußte aber nicht, wie er es machen sollte. Er wußte nicht, was er selbst von sich preisgeben könnte, und kam sich plötzlich wie ein Betrüger vor. Weshalb konnte er nicht zumindest diesen drei Menschen erzählen, daß er Merlin war?
Waren Palluck, Brian und Tralee wirkliche Freunde, wie die Wölfe es für ihn gewesen waren? Konnte es überhaupt eine Freundschaft mit Menschen geben, wie sie ihn mit den Tieren verband? Sollte er ihnen eines seiner Geheimnisse verraten, daß er ein Zauberer sei und Energien besäße? Oder daß seine Puppen in Wirklichkeit lebende Blondelfen, Vanyar aus Calacirya, wären? Sollte er den Menschen anvertrauen, daß ein Hirsch, zwei weitere Blondelfen und wahrscheinlich zwei Wölfe ihn an der Küste von Lindisfarne erwarten würden? Daß er nur auf die Shetlands – und dabei wahrscheinlich zufällig in die Irene Bay
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