Myrddin
Grund mit sich nehmen könnten. Und die Vanyar mischten sich auch in die Angelegenheiten dieser Wesen nicht ein.
Sie warteten auf Caspar und Myrddin, hüllten sich in ihr Schweigen und sahen die Nacht dem Tag weichen. In dem Wasserbecken, das Myrddin als Bad aus dem Stein geschlagen hatte, war nur noch der Boden mit Wasser gefüllt. Seine Ränder hatten braunrostige Ablagerungen und der Sturzbach hatte sein Leben aufgegeben. Schweigend lagen nun die Felsen da, die Luft hing schwerer als am Vortag über dem Hart Fell. Das gute Wesen der Grotte war versiegt und die umliegenden Berge nahmen es ohne Rührung zur Kenntnis.
Caspar schwirrte heran, begrüßte alle zu einem freundlichen Morgen und meinte, das Myrddin ausgesungen habe und demnächst erscheinen werde. Er sei bereits auf dem Weg.
Hörn stand auf, um ihm entgegenzugehen. Die Grauwölfe blieben liegen, obwohl ihnen die Stätte nicht gefiel, an der sie sich mit Myrddin getroffen hatten. Dieser Ort war anders gewesen, als sie gekommen waren, und sie hätten sich eine angenehmere Zeit in einem herrlichen Wald gewünscht.
Vor dem Grotteneingang lagen die Nahrungsmittel in den Beuteln, die sie Myrddin mitgebracht hatten. Daneben lag sein in Leder geschlagenes Buch, für das er in Norwegen zurückgefahren war, bevor seine Höhle fast vollständig ausbrannte. Es dauerte nicht lange, da hörten sie den schweren Schritt von dem geweihlosen Hirsch. Und hinter ihm konnten sie Myrddin sehen, der wieder freundlich in die Augen der Wölfe strahlte. Die Vanyar begrüßte er ernst. Sie hatten sich um Elwe geschart.
Akita und Pacis kamen zu ihm heran, wie sie es immer taten, leckten ihm die Hände, winselten und wedelten mit ihren Schwänzen – und die Gwyllons waren vergessen.
Myrddin nahm sich Zeit, blickte in die Runde seiner Freunde und spürte die Erwartung, die in ihnen lag. Doch er war noch nicht bereit und machte das allen sehr deutlich. Er wollte Ruhe haben und wollte einen Augenblick Mensch sein dürfen – für Momente einfach sein können und die Sekunden seines Herzschlages fühlen dürfen. Er wollte aus der Welt und wollte keine Vanyar sehen müssen, sondern nur Hörn und den Wölfen durch das Fell fahren, seinen Kopf auf die weiche Flanke seines Hirsches legen und schlafen. Er wollte endlose Träume erleben, ohne die Gedanken an die Zeit und einen möglichen Sinn, an Aufgaben und an Wesen, die es für die Menschen nicht gab. Er mochte die Vorstellungen und Bilder der Menschen nicht und wollte als schwerer Stein auf den Meeresboden versinken.
Doch Caspar war getrieben von seiner Ungeduld. Er wollte zurück nach Tirion und die Wünsche des Menschen bewegten ihn nicht, obwohl er mit ihm gereist war und heldenhafte Lieder aus seinen Erlebnissen machen konnte.
„Myrddin! Ich möchte sprechen und dir sagen, daß Entscheidungen gefordert sind, falls ich dich darauf hinweisen darf“, sagte der Vanyar.
„Wir werden sprechen, wenn die Zeit gekommen ist, Caspar.“
„Und Myrddin … ich sage dir, daß wir die Verse haben, die uns zu unseren Strophen fehlten“, meinte Caspar unerschrocken weiter.
„Caspar … auch wenn das so sein sollte, so werden wir erst später sprechen, wie ich dir sagte.“
„Falls du nicht sprechen wirst, Myrddin, so will und werde ich dennoch erwägen …“, ärgerte sich der Vanyar über den Menschen, der sich seine Zeit erbeten hatte, die Caspar ihm nicht zugestehen wollte.
„Haltet ein!“ rief Elwe erzürnt. „Maße dir nicht an. Wir werden warten – und Myrddin wird uns eröffnen, was in die Wasser seiner Brunnen fiel. Caspar, das gebiete ich dir als Sohn des Elwe Singollo, wie ich es allen gebiete!“
Selten war es geschehen, daß ein Vanyar vor Fremden von seinesgleichen zurechtgewiesen worden war. Und noch seltener, daß eine so edle Blondelfe wie Caspar sich Maßreglungen vor Wölfen, einem Hirsch und einem Menschen gefallen lassen mußte. Caspar war blamiert. Er hatte einen Zwist entfachen wollen, der aber nur Schmach über ihn brachte. Und augenblicklich flog er auf, schwirrte auf der Stelle – seine Augen funkelten vor Zorn ob der Schande, die ihm seinen Stolz nahm – und dann flog er auf, wirbelte in Spiralen durch die Luft, stieg höher und höher und konnte von den Wartenden nicht mehr gesehen werden.
Das war es, was eine Blondelfen tun konnte, fühlte sie sich vor anderen bloßgestellt. Sie hatte sich zu besinnen, ihre intelligente Kraft zu sammeln und nach einer Zeit, in der sie sich zu bedenken hatte,
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