Myrddin
Licht eines schwarzen Loches. Was für die Augen von Mal zu Mal angenehmer geworden war, wurde nun zu einem schwereren Luftdruck. Die Zuschauer konnten die strahlende Träne des Telperions gefangen in den Gewändern der Vanyar sehen, doch wenn sie den strahlenden Ball hochwarfen, war es kein Licht mehr, so fein hatte es sich zerstaubt – es war nur noch zur unendlicher Schwarzheit des äußersten Punktes des Universums geworden. Und was so geworden war, spürten sie dann als wachsendes Gewicht. Je schwärzer es wurde, desto schwerer wurden die Menschen.
Zuerst nur wurde das Licht verschlungen, dann schon schmerzten ihre Kniegelenke, Quecksilber begann in ihren Adern zu fließen und ihr Gewicht hatte sich vervielfacht. Sie fühlten ihre Körper auseinanderplatzen, sich zu einem Sandpapier mit ihrer hundertfachen Masse auf den Erdboden gedrückt, dann unter ihrem tausendfachen Gewicht erstickend, das Blut durch ihre Hautporen gepreßt. Danach war es ihnen, als würden sie fallen, als täte sich der Boden unter ihrer Masse auf, als würden sie aus Welten gerissen, und die Luft, die sie noch schwitzend gefühlt hatten, war nicht mehr atembar. Die Schwarzheit war zu Kälte geworden und diese lastete mit Gebirgen auf ihren Schultern … und dann – dann waren sie plötzlich erlöst. Sie waren befreit und Elshyyn war vorüber.
Die Menschen hatten nicht bemerken können, daß der Clown schon nicht mehr in der Manege war, und das Spiel der Elfen endete, indem sich Elshyyn, der Tau des silberstrahlenden Telperions, über ihnen in der Luft zusammenzog und in die Tunika des Vanyar fiel, der das Spiel eröffnet hatte.
Elwe nahm den Tautropfen und die Vanyar flogen auf den Boden hinab, nahmen sich ihre Graumäntel aus den Sägespänen und ließen die Menschen in der finsteren Welt zurück. Sie hören nicht mehr, wie die Menschen vor Begeisterung tobten und frenetisch schrien, wenngleich Shenann die Scheinwerfer nicht rechtzeitig einschalten konnte, da er die Lichtanlage nicht zu bedienen verstand und Raimann verschwunden war.
Der Rest des Ensembles erlebte einen besessenen Jubel, in den es selbst mit einstimmte. Sie erlebten, was in den Medien anschließend als Ganymanie bezeichnet werden sollte. Und doch gab es eine Frau unter ihnen, die in den Jubel nicht mit einstimmen konnte.
Leslie Tralee schwieg. Sie wußte, daß ihr Leben nur noch das Erleben der Tage bis zu ihrem Ende sein würde – und sie wußte, daß es ihr gut ergehen werde und daß sie das ihren Freunden Palluck und Myrddin zu verdanken hatte. Sie hörte nicht das emphatische Rufen nach dem Clown, achtete nicht auf die Begeisterung der berauschten Menschen um sie herum, die sich wiedergeboren fühlten und die Vorstellung nicht verstanden hatten, und wollte nach London, um sich dort mit Brian zu treffen. Es war eine schöne Überraschung von dem Mädchen, sie zu diesem Zirkus einzuladen, im Andenken an den Freund, den sie William Myrddin nannte. William Myrddin war tot … ertrunken. Und sie sollte leben. Sie hielt den Stein den Händen, den sie von dem Clown bekommen hatte, und hörte seine Worte nachhallen.
XL
Raimann hatte Ganapathys Wohnwagenanhänger und die Tiergehege von Shila, Jeff und den Schimpansen an die Zugmaschine gekoppelt, den Lastwagen angelassen und gestartet, als Ganymed mit Brian kam. Raimann wußte nicht, daß die Schimpansen ausquartiert worden waren und Hörn an ihrer statt in dem Gehege lag. Und er ahnte nicht, da sich Myrddin unter der Maske Ganymeds verbarg.
Myrddin hatte sich noch als Ganymed mit Brian in das Führerhaus gesetzt und gesagt, daß sie losfahren sollten. Und Raimann war losgefahren. Verstanden hatte er nicht, wie Ganymed eine Vorstellung geben konnte, aus der er selbst herausgegangen war, und er machte sich Gedanken über Myrddin, dem er ein Versprechen gegeben hatte. Aber wenn Ganymed nach Amesbury wollte, hatte das Vorrang und mußte seine Gründe haben. Myrddin könne warten, dachte er. Deshalb fragte Raimann nicht nach der Ursache für ihre Tour nach Amesbury, da alle in dem Ensemble ein bißchen verrückt geworden zu sein schienen, seitdem sie Erfolg hatten. Er freute sich über die Begleitung von Brian, von der er nicht wußte, in welchem Verhältnis sie zu Ganymed stand. Southampton kannte Raimann und irgendwo in der Umgebung dieser Stadt mußte auch Amesbury liegen.
Raimann konzentrierte sich auf den Verkehr, der sehr zähflüssig war. Er hatte seine Not gehabt, mit den beiden Anhängern durch Northampton zu
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