Myrddin
sah und sich ihm auf besondere Weise nähern konnte, so war es Merlin gewesen. Und im gleichen Atemzug dachte er an Woodhenge, an Uisnech und vor allem an Stonehenge, die bedeutende axis mundi , die er maßgeblich geprägt hatte. Hatte er ihr nicht Bedeutung verliehen und die Völker der Welt eingeladen, um sie an dem magischen Bann der Welt und aller Unwelten teilhaben zu lassen? War er es nicht gewesen, der der Welt sein Wissen, druidische Künste und Geheimlehren geliehen hatte – oder zumindest das, was das einfache Volk dafür hielt und veröffentlichte? Und war Stonehenge nicht der erhabenste Nabel der Welt? Was hatten sie nicht alles dafür getan. Achtzig Blausteine hatten sie geschlagen, zwischen den Gipfeln des Carn Meini und Foel Trigarn, die sie über schlammige Pisten, auf Baumstämmen und wenn möglich in großen Rindergespannen nach Milford Heaven transportiert hatten. Die Precelly Mountains in Pembrokshire – wie gerne würde er nur noch einmal auf ihre Hügel steigen, auf die offene See hinausblicken und sich wie die Elfen in ihren Türmen von Tirion fühlen. Er würde die dunkle Küstenlinie Irlands sehen, die Inseln einzeln benennen und den salzigen Geruch der frischen See auf seiner Haut spüren können. Es würde Grasholm und Lundy sehen … Namen, die sich in ihn eingebrannt hatten als die alten Gefilde der Anderswelt. Was war das für ein geheimkräftiges Gebirge gewesen, das in Norwegen seinesgleichen suchte. Sie hatten die Menhire von dort über den Severn zum Bristol Avon geflößt, hatten sie den Avon flußabwärts gezogen, hatten dann die Blöcke umgelagert, um sie über Land zu dem Wye zu wälzen, indem man den Avon mit Flößen überquert hatte … Und von dort aus brachte man sie zur axis mundi , auf das Hochplateau von Amesbury. Wie mühsam war all das gewesen und was hatte die Zeit nur gemacht – sie verwitterte die Steine, verschleierte die Mühe und die Magie des Ortes, durch den sie gelebt hatten. Man konnte sich nicht einmal mehr des großen Symbols des Baumes erinnern, wie ihm Ribes, die Dohle, erzählt hatte. Was war aus den stehenden Monolithen geworden? Und wohin waren seine Quellen versickert? Waren sie durch den Unverstand der Menschen versiegt?
Merlin wußte heute, daß und in welchen Aspekten sie sich geirrt hatten. Die weltliche Macht und das Machtstreben der Menschen hatten sie unterschätzt und an eine spirituelle Erneuerung geglaubt. Die Symbole jedoch waren niemals stärker gewesen als die Menschen, die an sie glaubten. Und die Macht der Schreier war ihnen leider lieber gewesen als die Macht der Schweigenden, nachdem die Wikinger und Dänen aus dem Land vertrieben worden waren.
Es blieben gewaltige Steine einstiger Macht, Menhire dauernder Kraft – gleich, ob man sie spürt oder nicht –, denn Stonehenge war nicht zufällig und beliebig vom Himmel gefallen, sondern mit Energie und Sinn errichtet worden. Und wirkliche Druiden waren keine Männlein, die den Menschen einzureden versuchen, nachts nicht über die Schulter zu pfeifen oder Wege zu meiden, über die schwarze Kater gelaufen waren, noch spuckten sie gegen den Wind über den Kopf oder stellten ihr Wissen trommelnd mit großem Gebaren der Welt dar. Weder knuteten sie Menschen noch schlugen sie Thesen an Gemäuer. Doch um Stonehenge galt nicht mehr die Kraft der innekehrenden Vernunft, sondern die Anarchie überspannter Scharlatane.
War der Aberglaube des Volkes damals nicht groß gewesen? Was gab es doch für lustige Geschichten, denen man nicht widersprochen hatte, weil es weiser war, den Menschen den Glauben zu lassen, mit dem sie leben konnten, als sie zu brechen oder zu erleuchten, was in Wirklichkeit immer das gleiche war und eine gezielte Manipulation darstellte.
Merlin zog sein Boot über das Eis. Der Wind blies ihm ins Gesicht. Es war kalt. Und doch dachte er an das Ritual, das ihn eine Nacht auf dem Cadar Idris verbringen ließ und eine andere Nacht auf dem Snowdon in einer Bodenmulde, nahe dem Black Stone of Arddu. Wie hatten die Menschen darauf gewartet, die Männer entweder wahnsinnig werden zu sehen oder als Seher erkennen zu kennen, falls man sie klaren Verstandes wiedergetroffen hatte. Seine Nächte auf den Bergen waren gut gewesen. Es war unheimlich, wie er zugeben mußte, doch nicht weil er sehen konnte oder unwirkliche Wesen ihn das Grauen lehren wollten, sondern weil er ein dunkles Gefühl in seinem Herzen mitgebracht hatte, das ihn damals nicht verlassen wollte. Ansonsten wären
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