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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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Wölfen gezogen war. Einmal schien es ihm, als wäre es vor Jahren gewesen und dann, als hätten sie sich eben erst getrennt.
    Sein Kristall fing in Blitzen zu leuchten an und zog selbst durch die Wolken das Sternenlicht an sich. Und Merlin sprach, wie so oft, wenn er gedankenversunken war: Hic lapis gerit in se similitudinem coele … du Wundervoller. Was würden wohl die Menschen über dich denken? Hexerei …? Teufelskunst …? Die verkörperte Blasphemie? Oder waren die Menschen schon weiter? Hatten sie auch den Christenglauben vergessen und bessere Ideen bekommen? Aus der Ferne beobachtet waren Menschen widerliche, kleingläubige Besserwisser. Sie plapperten so lange Blödsinn, bis man ihnen glaubte und folgte. Wie aus einer Schachtel schauten sie über den Rand der Erde und vertrauten einem göttlichen Funken in sich, der ihnen ihren winzigen Kosmos zu Füßen legte, weil man die Eltern nicht genug liebte. War das nicht aberwitzig? fragte sich Merlin. Ein Gott, der nur Gott war, solange er sie zu Übermenschen machen könnte? Was für ein komisches, machtbesessenes Ding mußte dieser Gott sein. Und Merlin selbst war auch nur ein Teilchen … ein Krümel … nein, noch weniger: er war der Staub einer anderen Welt, auf den Spuren in die Anderswelt. Doch er mußte aus seinen Gedanken herauskommen – er mußte sich um die Umgebung kümmern.
    Er schmeckte ein großes Meer. Und große Meere wie der Nordatlantik waren meist unberechenbare, launische Alte. Sie waren manchmal sanft, verspielt, lieblich und ansprechbar. Und ein anderes Mal unbeherrscht tobend, gegen ihr Alter wetternd und wollten es den Jungen noch einmal zeigen. Ozeane waren Fabelwesen, die man nicht reizen sollte – und die Drachenboote hatten es oft getan, indem sich ihre Mannschaften über sie erhoben und ihnen zu trotzen versuchten, mit unterschiedlichem Erfolg.
    Dieses Nordmeer jedoch mußte erwacht sein und sprühte zornigen Geifer über das Eis. Es roch nach algigem Salzwasser, schmutziger als das Nordmeer vor seinem Lyngenfjord.
    Merlin brauchte jetzt seine Gedankenkraft und durfte nicht mehr in die Welten zurück, aus denen er kam. Er mußte sich um die praktischen Dinge sorgen. Das Eis, war es noch dick genug? Und weshalb hörte er kein Wasser, hatte er es doch bereits in seinem Anorak, in seinem Haar, das strähnig verklebt war und auf seinem Gesicht? Er mußte herausfinden, wo sich das Wasser befand. Und sein Buch. Sein Buch mußte er vor Feuchtigkeit schützen. Es war in fettiges Leder gebunden, doch er wollte es lieber wieder auf dem Bauch tragen. Wenn er dieses Buch verlöre, könnte er es sich nicht verzeihen. In den falschen Händen wären seine Aufzeichnungen eine giftige, gefährliche Bedrohung, dachte er. Er nahm das Buch aus dem Boot, steckte es sich unter die Fellkleidung und leuchtete mit der Kristallaterne in die Dunkelheit.
    Die Shetland-Schwelle hätte weiter nördlich sein müssen, vermutete er. Oder waren sich die Ozeane unter dem Eis schon begegnet? Große Wasser treffen sich nicht friedlich, so wenig wie große Könige es tun, hatte ihm einmal ein Wikinger gesagt, den er niemals wiedergesehen hatte. Er sollte von Olav dem Heiligen erschlagen worden sein. Wie dem auch sei – Merlin mußte an die Gefahren denken. Vielleicht gab es so etwas wie eine riesige Fontäne, die einem Geysir gleich aus dem Eis schoß und deren Wasser vom Wind zerstäubt wurden. Dann hätte es sein können, daß er naß werden konnte, obwohl es kein Wasser um ihn herum gab.
    Der Wind blies unvermindert stark aus dem Westen und Merlin bewahrte die Ruhe. Er wollte in die Menschenwelt und mußte den richtigen Weg finden. Hatte er sich verlaufen? Er spürte den Mond durch die Wolken und dieser war gerade im Südwesten untergegangen. Sein Kurs und seine Route mußten also richtig sein – aber wo genau befand er sich?
    Das Kristall leuchtete ihm die nächsten Meter und erweckte den Anschein, daß seine Umgebung noch dunkler geworden war, da er in das Licht schaute, das einen tanzenden Kegel auf das Eis warf. Woher kam das Wasser? Die Feuchtigkeit würde seine Vorräte verderben können. Er hatte keinen wasserdichten Stauraum. Seine Felldecke war vom Wind fortgeweht worden und seinen Anorak konnte er zum Zudecken der Lebensmittel nicht nehmen. Ein Kajak hätte er gebrauchen können – Robbenfell über Holz gespannt, wie es die Eskimos machten … ein kleines, wendiges, leichtes Boot für die offene See. Außerdem hätte er es leichter über die See

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