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Myrddin

Myrddin

Titel: Myrddin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Saunders
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noch etwas Obst, bevor ich weiterlaufen werde“, sagte er sich und überlegte, ob er noch mehr Ballast zurücklassen sollte. Sein Buch war kein Ballast – es war das Leben. Vielleicht hatte er sich zu viele Äpfel mitgenommen, die schwer wogen. Ein Sack voller Äpfel mußte ausreichen, bis er die Shetlands erreichte. Und dort gäbe es wieder frisches Obst, dachte er und packte zwei Apfelsäcke auf das Eis. Die Nüsse hatten kaum Gewicht, doch dafür trennte er sich noch von einem Sack Trockenobst. Danach zog er sein Rentierfell fest um die Hüften, schulterte die Leine wie einen Riemen und lief weiter in den Westen – zu den Shetlands, auf denen er die Sprache der Gegenwart lernen und die Geschichtslücken, die er besaß, ausfüllen wollte. Und er wollte sich mit den Techniken der Menschen vertraut machen, die sie in ihre Maschinen steckten.
    Was waren das für grandiose Maschinen, die die Norweger besessen hatten oder die ihre Schiffe antrieben, die er von seiner Insel aus gesehen hatte. Man hatte ihm sogar von Menschen in stinkenden, selbstbeweglichen Fahrzeugen erzählt, die er niemals gesehen hatte. Es gab Herausforderungen für Merlin und es war gut, daß Hörn nicht bei ihm war, der durch seine Bedenken sicherlich einige Abenteuer, die Merlin gerne erleben wollte, zunichtegemacht hätte.
    Was würde wohl die Tiere in dem Moment tun, da er an sie dachte? War nur eine Nacht vergangen – oder waren es der Nächte zwei? Er vermißte sie alle auf ihre Art, vermißte auch die langen, aufschlußreichen Gespräche mit ihnen. Viele Neuigkeiten hatten sie ihm gebracht und auf ihre Reden war Verlaß. Von den Menschen schien ein Raubbau betrieben worden zu sein, von dem Merlin erst durch sie erfahren hatte. Wälder waren gerodet worden, Landstriche verödet und viele Tier und Pflanzenarten durch Verwüstungen ausgestorben, die zu seinen Zeiten in Britannien nicht denkbar gewesen wären. Merlin hatte die Wölfe als bescheidene, asketische Tiere kennengelernt, denen Beute als Vorrat unbekannt war. Niemals hatten sie aus Lust oder bloßer Blutgier gejagt, wie es die Menschen ihnen unterstellten – wie diese es letztendlich in neidischer Konkurrenz zu ihnen selbst taten. Wie wilde Tiere verteidigten sie ihre Beute und Jagdgründe, ihre Nahrung und ihre Saat gegen Widersacher. Der primitive Instinkt, gekleidet in ein modernes Gewand, dachte Merlin. Biber, die sich ihre Burgen bauten, waren gefährliche Tiere, weil sie Wasserläufe veränderten, Bruchlandschaften gestalteten und Holz fällten. Das Holz war rar, weil Menschen sich in den Wäldern zu schaffen gemacht hatten und sich nun schützend vor die letzten Bäume stellten, die vielleicht ausgerechnet ein Biber fällen wollte. So war es der Biber, den man jagen mußte, um die Holzbestände zu retten. Zwei Biberfamilien zwischen vier Holzstämmen waren wahrhafte Schädlinge, die es in ihren Grenzen zu halten galt. Doch wo waren die Wälder für die Biber, die sie kannten und mit denen sie lebten? Ob sich wohl die Menschen auch selbst zu jagen beginnen, wenn sie erkennen, wo der wirkliche Schädling sitzt, fragte sich Merlin. Haben die Menschen schon damit angefangen, Regeln der Arterhaltung festzusetzen? Oder sind sie vielleicht schon einen Schritt weiter gegangen und proklamieren die moralischen Motive der Selbsterhaltung?
    Der Seher, der Zauberer und der Mensch Merlin fürchteten sich vor einer direkten Konfrontation mit den Menschen. Solange man nur über sie nachdachte und sie Menschheit nennen konnte, die man beurteilen und verdammen, vielleicht auch belächeln konnte … Doch wenn man mit einem einzelnen Menschen allein sein würde, würde man seine persönliche Not, seinen Zorn erkennen und mit der Zeit womöglich seiner Klugheit glauben und ihn anders denken hören, als man ihn in der Gemeinschaft handeln sähe. Der Mensch aus der Nähe betrachtet war das gute Stück Mensch in Merlin selbst. Spräche man mit Menschen, würde man Veränderungen für möglich halten und zumindest glauben können, daß jeder Einzelne sich bemühe. Doch betrachtete man ihr Gemeinschaftswerk, so war es erbärmlich mißlungen. So, wie sich Menschen gruppierten, waren sie kaum einer Handlung fähig, die sie doch in ihren sympathischen Gedanken gehabt haben. Waren die Menschen so bewußtseinsgespalten? Sie können andere erschlagen und erschlagen werden. Sie beweinen die eigenen Opfer und erschlagen andere, von denen sie meinen, daß sie es verdient hätten, die dann von ihren Lieben

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