Myriams letzte Chance
gebucht und Tori musste wohl oder übel mit. âWas soll ich denn auf Malle, wenn ich hier alles habe, was das Herz begehrt?â, jammerte Tori zum x-ten Mal.
âIst doch erst zum Ferienendeâ, tröstete Ayla sie. âBis dahin hast du noch vier Wochen SpaÃ.â
Ayla selbst war hochzufrieden, dass ihre Familie in diesem Jahr zum ersten Mal nicht in die Türkei fuhr. Ihre ältere Schwester hatte gerade ihr erstes Kind bekommen, deshalb blieben ihre Eltern in Deutschland.
âVielleicht bist du ja noch froh, wenn du abhauen kannstâ, sagte Sina zu Tori. âHeute kommt diese amerikanische Tussi an. Und was Sue bisher über sie erzählt hat, klingt nicht unbedingt prickelnd.â
Sue war am Nachmittag zum Flughafen gefahren, um ihre vierzehnjährige Nichte abzuholen. April kam aus Sues Heimat Kalifornien und wollte die Sommerferien bei ihrer Tante verbringen. In den letzten Wochen hatten die Pferdemädchen Sue immer wieder über April ausgefragt. Und Sina hatte Recht: Was Sue über April berichtet hatte, war wenig vielversprechend.
âDas arme Mädchen hat es wirklich nicht leichtâ, hatte Sue gesagt. âIhre Mutter, also meine Schwester, ist völlig überdreht. Ständig jettet sie in der Welt herum, statt sich um ihre Tochter zu kümmern. Und Larry, ihr Vater, verdient einen Haufen Kohle und versucht sich mit teuren Geschenken aus der Verantwortung zu stehlen. April ist manchmal ein bisschen unvernünftig und kindisch. Aber sie meint es nicht so.â
âWenn man es in Klartext übersetzt, heiÃt das doch: launisch, verwöhnt und arrogantâ, hatte Tori hinterher kommentiert. âEine Zicke.â
âDie Zicke ist ja zum Glück nicht unser Problemâ, sagte Ayla jetzt und nahm sich noch ein Stück Schokoladenkuchen.
âIch befürchte dochâ, widersprach Juliana. âSue erwartet schlieÃlich, dass wir uns um April kümmern.â
âBoah.â Sina, die immer noch auf dem Rücken lag, schloss genervt die Augen. âAlso, ich spiel bestimmt nicht das Kindermädchen für eine bescheuerte amerikanische Schnepfe.â
âDas warâsâ, jammerte Tori. âErst kann ich mich wochenlang mit diesem verwöhnten Gör herumärgern und dann auf zum Familienurlaub nach Mallorca. Wo bleibt da die Erholung?â
âJetzt wartet erst einmal abâ, wandte Hannah ein. âNoch hat keine von uns diese April gesehen. Vielleicht ist sie total nett.â
Die anderen lachten spöttisch. Nur Myriam lachte nicht. Bei Hannahs Worten war ihr plötzlich bewusst geworden, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als dass ihre Freundin falsch lag. Dass Sues Nichte wirklich so schlimm war, wie die anderen befürchteten. Vielleicht sogar noch schlimmer. Wenn April die Pferdemädchen von morgens bis abends mit ihren Launen und Sonderwünschen nervte, würden sie ihre Abneigung gegen Myriam endlich wieder vergessen.
Diese Amerikanerin, stellte Myriam fest, war vielleicht ihre letzte Hoffnung.
Auch wenn sie skeptisch waren, konnten die Pferdemädchen es kaum erwarten, Sues Nichte endlich kennenzulernen. Doch als sie wieder auf den Hof kamen, war von Stefans Mercedes noch nichts zu sehen.
âDie sind doch gleich nach dem Mittagessen losgefahrenâ, wunderte sich Sina. âInzwischen müssten sie längst da sein.â
âDer Flug muss Verspätung habenâ, vermutete Tori.
Sie sattelten die Pferde ab, rieben sie trocken und brachten sie zur Weide hinter dem Reitplatz.
âSo langsam wirdâs aber Zeit.â Juliana warf einen Blick auf ihre Uhr. âEs ist schon nach sechs. Ich muss um sieben zu Hause sein.â
âIch auchâ, sagte Ayla. âAber ich will April unbedingt noch sehen. Sonst kann ich heute Nacht vor Neugier nicht schlafen.â
Ihr Wunsch erfüllte sich nicht. Sue, Stefan und April kamen erst um halb acht auf der Ranch an, lange nachdem Ayla und Juliana aufgebrochen waren.
Nur Tori, Sina und Hannah hatten bis zuletzt ausgeharrt. Und Myriam natürlich. SchlieÃlich war April ihre letzte Hoffnung.
Eine Hoffnung, die im selben Moment zerplatzte, in dem Sues Nichte aus dem Wagen stieg. April war schlank und groà und hübsch. Sie hatte rotblonde Locken, wild und leuchtend wie die ihrer Tante. Auf Nase und Wangen tanzten winzige Sommersprossen. Und als sie jetzt lächelnd auf die Mädchen zukam, sah man,
Weitere Kostenlose Bücher