Mystic River
Mr. Superhirn?«
»Wenn Dave der Typ sein sollte, den Souzas Zeuge auf dem Parkplatz vom Last Drop gesehen hat, dann hat er einem anderen den Kopf eingetreten, während Katie Marcus getötet wurde.«
Whitey verzog enttäuscht das Gesicht. »Meinst du? Für mich ist er jemand, der auf einem Parkplatz gewartet hat, als ein Mädchen, das eine halbe Stunde später sterben sollte, die Kneipe verließ. Für mich ist er jemand, der nicht um Viertel nach eins zu Hause war, wie er behauptet hat.«
Durch die Glasscheibe konnten sie Dave an der Theke mit dem Kassierer reden sehen.
Whitey fuhr fort: »Das Blut, das die Spurensicherung vom Parkplatz gekratzt hat, kann schon seit Tagen da kleben. Wir haben keinen Beweis dafür, dass da draußen mehr passiert ist als eine Schlägerei. Wenn die Männer aus der Kneipe nun sagen, dass sich an dem Abend nichts dergleichen ereignet hat? Könnte ja auch einen Abend vorher gewesen sein. Kann am Nachmittag passiert sein. Es gibt keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Blut auf dem Parkplatz und Dave Boyle, der um halb zwei in seinem Auto sitzt. Aber es kann kein Zufall sein, dass er in dem Moment im Auto sitzt, als Katie Marcus herauskommt.« Er klopfte Sean auf die Schulter. »Komm, gehen wir rein!«
Sean sah ein letztes Mal über die Straße zu Dave, der dem Kassierer Geld reichte. Dave tat ihm Leid. Was er auch getan haben mochte, Dave löste in allen Menschen immer dasselbe Gefühl aus: ungeläutertes, etwas hässliches Mitleid, scharf wie Schiefer.
Auf Kates Bett sitzend, hörte Celeste die Polizisten die Treppe hochkommen, ihre schweren Schuhe polterten direkt hinter der Wand die alten Stufen hoch. Vor ein paar Minuten hatte Annabeth sie hergeschickt, um eins von Katies Kleidern zu holen, das Jimmy zum Bestattungsinstitut hinüberbringen musste. Annabeth hatte sich entschuldigt, selbst nicht stark genug zu sein, das Zimmer zu betreten. Es war ein blaues schulterfreies Kleid und Celeste konnte sich daran erinnern, dass Katie es auf Carla Eigens Hochzeit getragen hatte, zusammen mit einer blau-gelben Blume über dem Ohr im hochgesteckten Haar. Einige hatten an dem Tag den Mund nicht wieder zubekommen und Celeste hatte gewusst, dass sie selbst in ihrem ganzen Leben noch nie so schön gewesen war. Doch Katie hatte überhaupt nicht geahnt, wie betörend sie aussah. Als Annabeth von einem blauen Kleid sprach, wusste Celeste sofort, welches gemeint war.
So war sie in das Zimmer gegangen, in dem sie in der vergangenen Nacht Jimmy mit Katies Kopfkissen vor dem Gesicht gesehen hatte, seine Tochter einatmend, hatte das Fenster geöffnet, um den muffigen Geruch des Verlustes aus dem Zimmer zu vertreiben. Das Kleid hatte sie in einem Kleidersack hinten im Wandschrank gefunden. Sie hatte es herausgenommen und sich kurz aufs Bett gesetzt. Die Geräusche der Straße drangen zu ihr herauf – das Zuschlagen von Wagentüren, vereinzeltes Gemurmel von Menschen, die auf dem Bürgersteig vorbeigingen, Das Zischen der Türen, die ein Bus an der Ecke Crescent öffnete. Sie betrachtete ein Foto von Katie und ihrem Vater auf dem Nachttisch. Es war vor ein paar Jahren aufgenommen worden, mit verlegenem Lächeln und Zahnspange saß Katie auf den Schultern ihres Vaters. Jimmy umfasste ihre Fußgelenke und schaute mit seinem wunderbar offenen Lächeln in die Kamera, diesem Lächeln, das einen überraschte, weil an Jimmy nur so wenig offen war. Einzig seinem Lächeln schien seine Reserviertheit nichts anhaben zu können.
Sie nahm das Bild vom Nachttisch, als sie Daves Stimme unten auf der Straße hörte: »Ihr schon wieder!«
Und da saß sie und starb tausend Tode, während sie erst Dave und die Polizisten und danach Sean Devine mit seinem Kollegen reden hörte, nachdem Dave die Straße überquert hatte, um Annabeth Zigaretten zu holen.
Zehn oder zwölf schlimme Sekunden lang hätte sie beinahe auf Katies blaues Kleid gekotzt. Ihr Zwerchfell zuckte, ihre Kehle zog sich zu, ihr Magen brodelte. Sie krümmte sich, wollte es bei sich behalten und mehrmals kam ein rauer, keuchender Laut über ihre Lippen, aber sie übergab sich nicht. Dann war es vorüber.
Trotzdem war ihr noch übel. Außerdem fröstelte sie, obwohl ihr Kopf Feuer gefangen zu haben schien. Er brannte, irgendetwas wütete in ihr, verdunkelte ihr die Sicht, füllte die Nase und die Höhlen hinter ihren Augen.
Sie legte sich rückwärts aufs Bett, als Sean mit seinem Kollegen die Treppe hochstieg, und wünschte sich, vom Blitz
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