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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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die Schnur reißen. Gallagher stolperte vorwärts und versuchte, die Entfernung zu verkürzen, wobei er die Schnur zwischen den Fingern hielt wie ein Voodoopriester, der sich auf einen Exorzismus vorbereitet.
    Die Rute bog sich noch einmal, richtete sich dann schnappend auf und ließ die Schnur locker auf dem Wasser treiben.
    »Das gibt’s doch nicht!«, rief Gallagher und schlug in zorniger Enttäuschung mit der flachen Hand aufs Wasser. »Verdammt nochmal!«
    Auf einen solchen Fisch wartet man sein Leben lang. Gallagher wusste das. Und er hätte sich ins seichte Wasser setzen und losheulen mögen über die verpasste Gelegenheit. Stattdessen stand er eine ganze Weile einfach da und starrte auf die Wasseroberfläche, bevor er laut seufzte und die Schnur aufrollte. Irgendwie musste der Fisch den Haken aus seinem Kiefer geschüttelt haben, oder er hatte die Zähne in die Schnur bekommen und sich freigesägt. Gallagher hatte ungefähr drei Meter Schnur aufgerollt, als diese sich erneut straffte und ein schweres Gewicht auf ihn zurollte, von der Strömung ergriffen wurde und wieder in die Tiefe gespült wurde.
    Er war immer noch am Haken! Aber sehr träge. Hatte er sich verfangen? Schwamm er in immer engeren Kreisen um einen verborgenen Ast, so wie ein Hund seine Kette um einen Baum winden kann?
    Mit dem Watestab tastete sich Gallagher voran, wobei er alle paar Meter anhielt, um die Schnur aufzurollen, bis er an das Ende des unteren, treibenden Teils kam. Es verschwand im karamellbraunen Wasser genau vor der halb im Wasser liegenden Esche.
    Gallagher versuchte, nicht an die rasiermesserscharfen Zähne einer großen Braunforelle zu denken, legte seine Hand um das sich verjüngende Ende der Vorfachschnur und verfolgte es unter Wasser, Knoten für Knoten daran entlangfahrend bis zum Haken. Die Schnur war straff und vibrierte wie eine Klaviersaite. Seine Finger fanden den Blinker, tasteten weiter, suchten vorsichtig nach dem Haken und dem glitschigen Fleisch des Fisches.
    Gallaghers Finger streiften etwas, das sich wie steifer Stoff anfühlte, und er fuhr erschrocken zurück. Sein Herz hämmerte. Noch einmal langte er hinunter, um zu fühlen, was dort am Haken hing.
    Es war steifer Stoff.
    Gallagher griff mit der ganzen Hand in das Material und zog daran. Er fühlte ein Gewicht auf sich zurollen, das von der Strömung ergriffen und wieder in die Zweige der gestürzten Esche zurückgedrückt wurde. Er klemmte den Korkgriff seiner Angelrute in den herausragenden Ästen des Baumes fest. Dann bückte er sich ins kalte Wasser, langte tief hinein, bekam den Stoff mit beiden Händen zu fassen und zog ihn mit aller Kraft in die Höhe. Das Gewicht kam nach oben. Kurz bevor es die Wasseroberfläche erreichte, rollte es herum, und wie durch ein undurchsichtiges rostfleckiges Leichentuch tauchte ein Gesicht auf.

4
    Gallagher schrie schon, bevor ihm überhaupt bewusst wurde, dass er schrie, und ließ den grünen Stoff los. Kopf und Oberkörper der Leiche glitten unter die Wasseroberfläche zurück, stießen gegen ihn und verschwanden. Gallagher würgte und wirbelte herum, er hatte nur den einen Gedanken: weg, weg von dem, was da im Fluss lag. Er versuchte, ans Ufer zu hasten, indem er mit einer Hand und seinem Watestock wie wild aufs Wasser schlug.
    Doch die Strömung packte ihn und warf ihn vornüber in die Stromschnellen. Gallagher wurde zweimal um sich selbst gewirbelt und gelangte dann prustend wieder an die Oberfläche. Stolpernd kam er auf die Füße und erbrach das brackige Wasser, das er geschluckt hatte. Die seltsame Taubheit, die Gallagher beinahe ein Jahr lang umgeben hatte, war von einer Sekunde auf die andere weggespült. Jetzt glühten sämtliche Nervenzellen schmerzhaft in seinem Körper. Die weißen Birken standen um die Hütte im Uferwäldchen wie plötzlich eingefrorene Blitze.
    Gallagher verschluckte sich an den Schreien, die ihm die Kehle abzuschnüren drohten, und kämpfte sich zu den Birken durch, unfähig, das blutrote Bild abzuschütteln, das sein Hirn durchflutete. Der Mann war völlig entstellt gewesen, sein Körper war von tiefen, ovalen Wunden übersät. Gallagher stolperte ins flache Wasser und kroch die Uferböschung hoch, um dann in einem wahnsinnigen Lauf über das schlammige Maisfeld zu setzen in Richtung River Road und Andie Nightingales Haus.
    Die Polizistin war bei der Gartenarbeit und verteilte gerade mit einer Mistgabel Kompost. Sie trug kniehohe grüne Gummistiefel, alte Jeans und eine dunkle

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