Mythica Bd. 5 - Göttin der Rosen
nur im Blut einer Empousa.«
Die Erwähnung des Wächters jagte Mikki einen kalten Schauer über den Rücken. Sie hatte ihn schon fast vergessen, doch jetzt tauchte ein Bild der Statue in den Tulsa Municipal Rose Gardens vor ihrem inneren Auge auf. Aber er war keine Statue mehr … er war irgendwo da draußen, wieder am Leben, weil ihr Blut ihn berührt hatte. Was für eine Rolle spielte er bei all dem hier? Warum war er in ihren Träumen aufgetaucht? Plötzlich hatte sie wirklich keine Lust mehr auf unbeantwortete Fragen.
»Gii, du hast gesagt, die Flamme würde Floga nicht verbrennen, weil sie Feuer ist. Bitte erkläre mir, was du damit meinst.«
Aber Floga gab Gii keine Chance zu antworten. Sie trat vor, bis sie direkt neben Mikki stand, streckte dann eine geöffnete Hand vor sich aus, spitzte lächelnd die Lippen wie zu einem Kuss und blies auf ihre Handfläche. Mikki fühlte die Hitze ihres Atems, noch bevor die rostrote Flamme aus ihrer Handfläche emporzüngelte.
»Was Gii gesagt hat, meint sie wörtlich, Empousa. Eure persönlichen Dienerinnen werden aus allen Frauen des Reiches der Rose sorgfältig ausgewählt. Hekate hat uns auserkoren, weil wir alle eine besondere Verbindung zu einem der vier Elemente in uns tragen. Mein Element ist das Feuer. Ich kann es heraufbeschwören, es wird mich nie verbrennen, und wenn mein Leben endet, werde ich zu ihm zurückkehren.«
»Unglaublich«, hauchte Mikki. Zögernd streckte sie einen Finger nach dem Feuer aus, das in Flogas Hand loderte. Es fühlte sich an, als würde sie in eine Kerzenflamme greifen. Einen kurzen Moment konnte sie die Hitze aushalten, aber wenn sie ihren Finger zu lange in das Feuer hielt, würde sie sich verbrennen. Schnell zog sie ihre Hand zurück und wandte sich den anderen drei Frauen zu.
»Ich bin …«, setzte Gii an, aber Mikki unterbrach sie mit einem heftigen Kopfschütteln. »Nein, sag es mir nicht. Wenn ich wirklich Hekates Priesterin bin, sollte ich das selbst herausfinden.« Sie kniff die Augen zusammen und dachte nach. Die vier Elemente … Floga hat schon gesagt, dass sie Feuer ist. Was bleibt also noch übrig?
Während sie darüber nachdachte, musterte sie Gii. Sie betrachtete ihr moosgrünes Kleid, das die gleiche Farbe hatte wie ihre Augen und perfekt zu ihren dichten, kastanienbraunen Haaren passte. Und dann wusste sie es.
»Erde!«, rief sie aus. »Du musst die Erde sein.«
Giis Lächeln war eine wunderbare Belohnung. »Ja, Empousa. Floga ist Feuer, ich bin Erde …« Sie hielt inne und nickte ihr ermutigend zu.
Mikki wandte ihre Aufmerksamkeit Nera und Aeras zu. Nera trug ein blaues Gewand, und ihre Haare waren so hell wie Wolken, aber Luft schien einfach nicht zu ihr zu passen. Sie war zu sinnlich. Ihr Körper war noch weit kurvenreicher als der von Mikki, und die blaue Seide umfloss sie wie durchscheinende Wellen. Die zierliche Aeras trug ein butterblumengelbes Gewand, das wie in einer sanften Brise ständig zu flattern schien, und ihre langen, glatten Haare hatten die Farbe von Sonnenlicht.
»Nera ist Wasser, und Aeras ist Luft.«
Die Dienerinnen klatschten fröhlich in die Hände, und Mikki errötete vor Stolz.
»Na seht Ihr, Empousa« – Gii lächelte – »Ihr erkennt Eure Dienerinnen doch.«
»Nur mit eurer Hilfe. Und mit eurer Hilfe kann ich vielleicht auch lernen, einen heiligen Kreis zu beschwören.«
»Ihr habt alles, was Ihr dazu braucht, Empousa«, sagte Gii. »Ihr habt eine Verbindung zu allen vier Elementen, und Ihr habt Eure eigene Affinität.«
»Meine eigene Affinität? Aber es gibt doch nur vier Elemente. Wofür könnte ich stehen?«
»Ihr repräsentiert das Herz des Kreises – seinen Geist«, erklärte Gii. »Deshalb tragt Ihr das heilige Violett. Es ist die Farbe des Geistes. Und deswegen ist Euer Platz in der Mitte des Kreises.«
»Wir werden es Euch zeigen, Empousa«, versprach Aeras und lief die Treppe zum Tempel hinauf. »Wir haben alle unsere vorgegebene Position.« Entschlossenen Schrittes ging sie auf die göttliche Flamme zu und stellte sich ein paar Meter davon entfernt auf. Dann wandte sie sich wieder Mikki zu. »Luft hat ihren Platz im Osten.«
Floga folgte ihr, ging in einem unsichtbaren Kreis ein paar Schritte weiter nach links und blieb dort stehen. »Feuer ist immer im Süden.«
»Wasser bevorzugt den Westen«, sagte Nera und nahm den Platz direkt gegenüber von Aeras ein.
»Und Erde befindet sich im Norden.« Gii schloss den Kreis. »Und Euer Platz – der Platz des
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