Mythor - 043 - Am Kreuzweg der Lichtwelt
Daumenlos hatte keine Chance mehr.
Aus seiner Deckung heraus beobachtete Larashi den Unheimlichen, der sich mit überraschender Schnelligkeit bewegte. Ein zweiter folgte ihm. Dann kam der dritte, und da wusste Larashi, dass auch der Stumme Große tot war. Der Alte konnte jetzt nur noch hoffen, dass er nicht entdeckt wurde. Denn sonst würde er das Schicksal der anderen teilen. Die drei Schwarzgekleideten durchstöberten jetzt die nähere Umgebung der Klause. Larashi fürchtete, dass sie nach ihm suchten. Einer der beiden anderen Alten musste ihnen verraten haben, dass Daumenlos noch einen dritten Mann in seinen Diensten hatte.
Das Orhako! An ihm würden sie erkennen, dass er in der Nähe war!
Zwei der drei Schwarzgekleideten erreichten den Pferch, in dem sich die Tiere befanden und in den auch das alte Orhako Larashis zurückgekehrt war. Larashi schloss entsetzt die Augen. Erbarmungslos machten die Schwarzen sämtliche Tiere nieder. Es war, als wollten sie ein Zeichen setzen. Ein Zeichen des Todes. Nichts Lebendes sollte zurückbleiben. Der dritte Mann blieb vor der Eingangstür stehen. Larashi erhaschte den Anblick eines gläsernen Gesichts. Kalt lief es ihm über den Rücken.
Dämonisierte! Feinde der Lichtwelt und des Sohnes des Kometen!
Und der Sohn des Kometen war unterwegs, kam vielleicht sogar hier vorüber auf seinem langen Weg. Vergeblich hatte Larashi nach ihm Ausschau gehalten, aber das besagte nichts. Er mochte dennoch in der Nähe sein.
Daumenlos hatte ihm mit Hilfe seiner Pfeif- und Zeichensprache mitgeteilt, dass der Sohn des Kometen in den Süden unterwegs sei. Larashi verstand die Pfeifsprache der Stummen Großen, die niemals sprachen, weil ihre Münder vernäht waren und nur eine winzige Öffnung zur Aufnahme flüssiger Nahrung besaßen. Aber er verstand nicht, wie sich die Stummen über weite Entfernungen hinweg verständigen konnten. Wenn sie sich mit ihren Pfeifen einrauchten und meditierten, waren sie in der Lage, über weite Strecken miteinander in Verbindung zu kommen. Dutzende von Tagesritten waren kein Hindernis. Auf diese Weise musste Daumenlos von seinen Ordensbrüdern erfahren haben, dass der Sohn des Kometen kam. Daumenlos hatte ihn Larashi sogar beschreiben können. Ein Mal hinter dem Ohr und eine Brusttätowierung, die ein unbeschreiblich zauberhaftes Mädchenantlitz zeigte.
Larashi hatte sich auf sein Orhako gesetzt und war ausgeritten, um nach dem Sohn des Kometen Ausschau zu halten. Doch er hatte ihn nicht entdecken können, und irgend etwas hatte ihn zum Rückzug bewogen. Vielleicht war es die Ahnung der Gefahr gewesen, die den Stummen Großen inzwischen bedrohte.
Noch tiefer duckte sich Larashi, bis er nichts mehr sehen konnte. Er hörte nur noch die Schritte der Schwarzgekleideten, hörte, wie sie sich miteinander unterhielten. Nur kurze Zurufe, die für Larashi keinen Sinn ergaben, weil er die Zusammenhänge nicht kannte.
Plötzlich kamen die Schritte näher, direkt auf den Graben zu. Larashi hielt den Atem an. Hatten die Mörder ihn entdeckt?
*
»Diese riesige Ebene«, sagte Mythor und deutete mit ausgestrecktem Arm hinaus auf die sich endlos erstreckende Fläche. »Was ist das?«
Je tiefer sie stiegen, desto weniger erkannten sie. Aber selbst von den Gipfeln von Rafhers Rücken herab war ein Ende dieser hellen Fläche nicht erkennbar gewesen.
»Es ist der Salzspiegel«, sagte No-Ango. »Ein ausgetrockneter Salzsee von gewaltiger Ausdehnung. Wie groß mag er sein? Größer als das Land Moro-Basako bestimmt. Dort, wo der Salzspiegel endet, ist etwa die Hälfte der Entfernung zwischen uns und Logghard.«
Mythor schluckte. Er bekam eine ungefähre Ahnung von der Größe dieser Fläche. Der Beschreibung nach musste sie etwa so groß sein wie Tainnia und Ugalos zusammen. Tainnia… die Caer… nicht einmal hatte er sie aus der Erinnerung verloren. Von den Caer kam die Gefahr für die gesamte Lichtwelt. Sie waren die Werkzeuge des Bösen, das von der Dunkelzone her nach der Macht griff.
Dabei wusste Mythor sehr wohl, dass nicht die einzelnen Caer-Krieger das Böse an sich waren. Die Priester waren die treibende Kraft. Sie und ihr Oberpriester Drudin. Unter den Kriegern selbst gab es so manchen, dem die Priester unheimlich waren und der sie fürchtete. Mythor entsann sich an seine Erlebnisse während des Drudin-Turniers in der Ebene der Krieger. Einer der Caer war sogar so etwas wie sein väterlicher Freund geworden. Padrig YeCairn, den sie Gevatter Tod nannten. Aber es
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