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N. P.

N. P.

Titel: N. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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Kopf.

 
     
     
    E wig lange her, seit ich am Strand war und ein Lagerfeuer gemacht hab«, sagte Otohiko. Er sammelte gerade in einiger Entfernung Treibholz. Die Sachen, die wir gekauft hatten, Feuerwerk, Wein und gebratene Hühnchenschenkel, hatten wir einfach am Strand abgelegt.
    Es war schon dunkel geworden am Strand, und wenn er sich jetzt noch ein kleines Stückchen weiter entfernte, würde seine Gestalt von der Finsternis verschluckt werden.
    Im Seewind sah ich das Meer, das richtige Meer.
    Es war hundert Mal weiter, überwältigender, als ich es mir in meinen sehnsüchtigsten Träumen vorgestellt hatte. Man kam sich richtig verloren vor. Das Rauschen der Wellen schwoll überlaut an, Venus und Mond, die uns die ganze Zeit gefolgt waren, standen mitten am Himmel.
    »Du warst doch bestimmt bei den Pfadfindern?«
    »Wieso das denn?«
    Wie er so das Holz für die Feuerstelle aufbaute, das war schon gekonnt!
    »Irgendwie. Du siehst so aus.«
    »Unverschämt! Aber ich hab mal am Meer gewohnt.«
    »Wann?«
    Egal, worüber er gesprochen hatte, bis jetzt hatte er die ganze Zeit kraftlos gewirkt, als ob ihm alles lästig wäre. Aber seit wir am Meer angekommen waren, wirkte er gelöst. Während der ganzen Fahrt hatte er bloß schweigend am Steuer gesessen und ich neben ihm. Allmählich hatte ich Einblick in sein stockfinsteres Innenleben bekommen. O weia, der scheint wirklich ganz schön erledigt zu sein, hatte ich gedacht. Auch wenn ich es verstehen konnte – die Last all der Jahre und Monate würde ich kaum nachvollziehen können. Mir fiel ein, wie er damals bei den ersten Anzeichen von Dunkelheit aufgestanden und zu Sui gegangen war. Ich mußte daran denken, wie die vielen, vielen Tage, an denen das selbstverständlich gewesen war, ihn geprägt, was für einen tiefen Gefühlsstrom sie erzeugt haben mußten. Der war jetzt abgerissen, der Mensch zerbrochen. So wirkte er jedenfalls.
    »Kurz nachdem Vater gestorben war, als sich Mutters Gesundheitszustand verschlechtert hatte, zur Erholung. Zu dritt haben wir damals oft Lagerfeuer oder Feuerwerk gemacht, und außerdem hab ich viele Freunde, die am Meer leben, deshalb weiß ich, worauf es ankommt.«
    »Hat das Spaß gemacht?«
    »Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ich weiß noch, es war irgendwie irreal. Am Meer zu wohnen!« sagte Otohiko.
     
    »Muß ein Lagerfeuer nicht ein bißchen … na ja, spektakulärer sein?«
    Das Feuer brannte zwar endlich, züngelte aber irgendwie auf Sparflamme – die Kraft der Dunkelheit war jedenfalls wesentlich überzeugender.
    »Kommt noch, kommt noch. Schau nur!«
    Im weichen Schein der Flammen sah Otohikos Gesicht richtig fröhlich aus. Mutters Worte von absolut gelassener Hingabe an eine Tätigkeit kamen mir in den Sinn. Das wird es sein. Er saß im Sand und warf Stöckchen für Stöckchen gelassen ins Feuer.
    »Wie wärs mit Wein?«
    Ich goß Wein in Becher, wie damals mit Sui, nur daß sie diesmal aus Plastik waren.
    »Aah, tut das gut«, sagte Otohiko, nachdem er einen Schluck getrunken hatte. »Nachts wird es schon richtig kühl.«
    »Es ist ja auch fast schon Herbst.«
    »Ach, deshalb hab ich mich wohl zuerst um das Lagerfeuer anstatt um das Feuerwerk gekümmert.«
    »Gleich zünden wir aber auch das Feuerwerk. Unbedingt.«
    »Wenn wir das Hühnchen grillen könnten, das wär nicht verkehrt …«
    »Deshalb hab ich extra Grillspieße besorgt.«
    »Du denkst ja richtig mit!«
    »Wenn man die Kekse wie Folienkartoffeln einwickelt und kurz ins Feuer legt, das müßte eigentlich lecker sein.«
    »Du wirst ja sogar erfinderisch!«
    »Ich dachte immer, du wärst der Spezialist für outdoor life? «
    »Wenn du mir einen Feldkessel besorgen könntest …«
    Der Alkohol begann zu wirken, und ich dachte immer wieder: Was mach ich hier eigentlich? So plötzlich, mit ihm? Aber so ein Gefühl hatte ich ja in letzter Zeit ständig gehabt, ich hatte mich dran gewöhnt. Neu war lediglich das Tosen und Brausen, das das schwarze Meer mit seinen Wellen erzeugte. Das weiß aufschäumende Wasser, wenn es an den Strand schlug. Das intensive Aroma des Meeres, das rauhe Gefühl von Sand auf der Haut. Der weite Bogen des Horizonts, der leise atmete. Die unruhigen Lichter der Hafenstadt. Die Scheinwerfer der Autos auf der Uferstraße, die sich langsam wie Satelliten fortbewegten.
     
    Mit tiefer werdender Dunkelheit wurde endlich auch das Feuer kraftvoller, lebendiger. Knisternd sprühten die Funken, der Strand leuchtete weiß im Schein der

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