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N. P.

N. P.

Titel: N. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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es, was Vater mit seinem Buch aussagen wollte, glaube ich. Zum Beispiel er selbst: ein Typ, der sofort mit einem schläft, weil man ziemlich süß ist, noch dazu eine Japanerin, die verloren scheint im fremden Land – auch wenn man seine Tochter sein könnte (und unglücklicherweise auch noch ist). Oder Otohiko, der Melancholiker – auch wenn ich ihn liebe. Oder Shōji, für den das Leben keine einzige Hoffnung mehr zu bieten hatte, obwohl er doch mit einer knackigen Oberschülerin zusammen war.
    Natürlich, so einfach, wie ich es gerade ausgedrückt habe, ist das alles auch wieder nicht. Nicht schwarz oder weiß. Dieses Etwas, diese Tendenz nämlich, scheint mir in dem bewußten Menschen ganz tief verwurzelt zu sein und sich mit verschiedenen Gesichtern zeigen zu können, mal als Begabung, ein anderes Mal als Defekt. So tief verwurzelt nämlich, daß es quasi den Blutkreislauf dieses Menschen durchsetzt und ihn auf ganz bestimmte, für ihn typische Weise beherrscht. Wenn das Leben nicht so wäre, wie es ist, wenn wir nicht wir gewesen wären, dann hätten wir jetzt wahrscheinlich schon längst in einer hübschen kleinen Kirche im schönen Boston unsere Hochzeit gefeiert und würden dort in aller Ruhe und voll Stolz leben. Aber gerade das wäre Fiktion, nicht nur, weil wir Geschwister sind, nein, wir sind den steinigen Weg eines jeden normalen Liebespaares gegangen und sind eben bei Trennung gelandet. Und zwar, weil wir wir sind.
    Entschuldige, daß ich dich hier lang und breit mit diesem langweiligen Kram belästige, aber bei dir hab ich eben das Gefühl, daß du mich verstehst. Außerdem muß ich irgendwo Dampf ablassen, nachdem ich Otohiko nur einen ganz kurzen Brief geschrieben habe (mein Abgang sollte Stil haben).
     
    Weiter: Die ganze Situation lief also wunderbar auf Tod hinaus, meine Gedanken fügten sich ebenfalls stromlinienförmig in diese Richtung, mein Selbstvertrauen reichte nicht mehr zum Weiterleben – aber, als dann alles soweit war, wurde mir irgendwie speiübel. Ich schrieb also meine Alternativen auf ein Blatt Papier und überlegte, welche für mich die beste und welche die schlechteste sei. Das hab ich dir ja eben geschildert. Ich hatte dabei das Gefühl, am eigenen Schicksal zu drehen.
    Aber obwohl ich gewählt hatte, fehlte es mir an Kraft, meine Entscheidung auch in die Tat umzusetzen, und obwohl ich dich zu mir bat, war es mir zu lästig geworden, mich bei dir auszusprechen. Da fiel mir ein: Wie wärs, mit dir zusammen Doppelselbstmord zu begehen? Nein, nein – ich wollte dich natürlich nur betäuben und dann an deiner Seite sterben – ich wäre nicht so alleine gewesen. Ich fühlte mich so einsam, war so verwirrt, daß mir tatsächlich diese Idee kam. Aber dann war ich so aufgeregt, daß ich dir viel zuviel unters Essen gemischt hab, keine tödliche Dosis zwar, aber so viel, daß mir selbst nicht mehr genug übrigblieb, um zu sterben. Ich hatte das Mittel von einem Bekannten bekommen, also wollte ich versuchen, noch was zu besorgen, während du schliefst. Notgedrungen mußte ich mich beeilen mit dem Sterben. Doch dann kam mir dein Auftritt als Zombie dazwischen. Ich hatte richtig Angst, als du dich mit halb geöffneten Augen und gespenstisch bebender Stimme erhoben hattest! Mitten ins Herz getroffen hast du mich. Worte sind so billig. Aber so wars nun mal. Ich hab dann draußen vor der Tür ein bißchen geweint, und als ich wieder ins Zimmer kam, schliefst du fest. Dein schlafendes Gesicht war so schön wie das Antlitz einer Toten. Da hab ich das Nötigste zusammengepackt, »Schlaf schön!« gesagt und meine Wohnung auf immer und ewig verlassen. Keine Sorge, die Miete ist bezahlt!
    Wir lassen uns bald standesamtlich trauen. Mein zukünftiger Ehemann war ein Kunde in der Bar, wo ich gearbeitet hab. Finanziell ist er nicht schlecht gestellt, aber ganz abgesehen davon, er ist wirklich ein guter Mensch. Das ist jetzt keine Lüge oder Prahlerei. Er ist älter, und sein Typ gefällt mir eigentlich viel besser als so jemand wie Otohiko.
    Ich werde das Kind zur Welt bringen.
    Er hat dieselbe Blutgruppe wie Otohiko, deshalb wird es wohl nicht rauskommen.
    Ich weiß nur eins: Die Kotzerei morgens ist mir immer noch angenehmer als von der eigenen Mutter geschlagen zu werden.
    Auf jeden Fall wird es ein Kind von Eltern gleichen Blutes.
    Also, ich fänd es ziemlich schlimm, wenn es drei Augen hätte, oder ihm ein Bein fehlte, oder es einfach sechs Finger an jeder Hand hätte oder noch irgendwas

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