Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nach all den Jahrmilliarden

Nach all den Jahrmilliarden

Titel: Nach all den Jahrmilliarden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
überlappte. Während wir uns umdrehten, verschwanden einige Sequenzen und wurden durch andere ersetzt. Einige aber blieben stabil. Es war wirklich mühsam, alles in sich aufzunehmen, denn es geschah so viel zugleich. In den ersten fünf Minuten drehte und drehte ich mich auf meinem Platz und wollte alles auf einmal betrachten. Ich war verzweifelt darüber, daß eine Szene verschwand, während ich noch versuchte herauszufinden, was es mit einer anderen auf sich hatte. Ich beneidete die Wissenschaftler nicht, die aus all diesem schlau werden müssen. Aber wenigstens würde die Kamera mit dem Weitwinkelobjektiv, die direkt neben der Kugel angebracht war, das ganze Durcheinander rundherum festhalten. Weißt du, die einzige Möglichkeit, mit einer Informationsschwemme fertig zu werden, besteht darin, eine Aufzeichnung aller eintreffenden Daten anzufertigen und die einzelnen Posten dann Stück für Stück unter die Lupe zu nehmen, mit deiner dir eigenen Datenverarbeitungs-Geschwindigkeit.
    Nach kurzer Zeit hörte ich auf, mich zu drehen und konzentrierte mich auf das Betrachten jeder einzelnen Sequenz – trotz der Frustration darüber, alles andere, was vor sich ging, zu verpassen. Ich werde versuchen, einige der Bilder zu beschreiben, die ich gesehen habe.
    Eine Szene war in einer Stadt der Erhabenen aufgenommen. Das nehme ich jedenfalls an. Ich sah umherstreifende Gestalten, jene sechsgliedrigen Humanoiden mit den kuppelförmigen Köpfen, die uns von den Plakettendarstellungen her so vertraut sind. Ihre Haut war von satter, dunkelgrüner Farbe und von sich überlappenden, glänzenden Schuppen bedeckt, was vielleicht auf reptilartige Vorfahren hindeutet. Sie gingen nicht, sie glitten eher dahin, schienen fast zu schweben; ich kann nicht erklären, warum sie so anmutig wirkten.
    Ihre Stadt bestand aus weit in den Himmel ragenden Pfeilern, die jeweils vielleicht fünfzig Meter voneinander entfernt waren – ich besaß keinen Vergleichsmaßstab. Weit oben war eine Art Netzwerk gespannt, das die Gipfel aller Pfeiler miteinander verband. Wie Spinnen von einem Spinnennetz baumelten Bauwerke von diesem Geflecht: Jedes schwang am Ende eines langen Kabels sanft hin und her, und jedes hing hoch über dem Boden und war unterschiedlich weit vom Netz darüber entfernt. Diese Schwebhäuser waren größtenteils tränenförmig, aber es gab auch sphärische und kubische und achteckige. Kleinere Kabel stellten die Verkehrsverbindungen zwischen den herabhängenden Gebäuden dar. Die Luft war voller Erhabener, die hinauf- oder hinunterglitten oder horizontal dahinschwebten, und sie hielten sich dabei an Kabeln fest, die sich von ganz allein zu bewegen schienen. Goldgrünes Sonnenlicht sickerte durch die obersten Schichten des Netzes, und es erweckte den Eindruck, als befände sich alles unterhalb des Meeresspiegels. Während ich zusah, brach die Nacht an, und plötzlich glänzte das Licht Tausender Sterne herunter. Jetzt begannen sich die Gebäude selbst zu bewegen: An ihren Kabeln glitten sie in die Höhe oder Tiefe, während Erhabenein großer Zahl von einem zum anderen wechselten. Ich habe fremdartige Bilder gesehen, Lorie, aber nichts so Fremdartiges wie dies hier. Jene großen und anmutigen Geschöpfe (irgendwie stelle ich sie mir viel größer als Menschen vor), jene herabhängenden Häuser, das gespenstische Tageslicht und der überwältigende Glanz der Sterne … all das vermischte sich zu etwas vollkommen Fremdartigem.
    Der Aufnahmewinkel förderte diesen Eindruck noch. Ich hätte angenommen, daß in den rund vier Jahrhunderten, seit Edison seine erste Filmkamera montierte, alle Arten, eine bestimmte Szene zu filmen, ausprobiert worden sind. Aber wer auch immer diesen eine Milliarde Jahre alten Schnappschuß aufgenommen hat, er hat die Dinge auch nicht annähernd auf die Weise betrachtet wie ein moderner Kameramann von heute. Und deshalb hatten wir es mit sich ständig verändernden Blickwinkeln zu tun: einmal von oben, dann von unten, dann aus dem Zentrum der Stadt. Die Kamera glitt so frei durch jene seltsame Stadt, daß ich mich an der Laboratoriumsbank festklammern mußte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    Wie in einem Traum gefangen, sah ich eine ganze Zeitlang zu, wie diese Geschöpfe ihren rätselhaften Beschäftigungen nachgingen, wie sie an ihren Kabeln hinauf- und hinunterglitten, sich voreinander verneigten, sich anmutig die Hände reichten und Geschenke austauschten (ich erkannte einige Inschriftsknoten, die

Weitere Kostenlose Bücher