Nach dem Sturm
Hudson in seinen schlimmsten Zeiten, Takumi! Ich war selber dabei!“
Sato legt mir beschwichtigend eine Hand auf den Arm. „Ja. Damit geht er zu weit. Gut, dass du mir das sagst. Aber du musst bedenken, dass es immer auch eine andere Sichtweise auf die Dinge gibt. Du hörst immer zu, wartest ab, zögerst vielleicht einen Moment zu lange. Und Kellogg hat gesehen, dass wir Schwierigkeiten bekommen könnten, bevor wir die Lage endgültig im Griff haben, und hat gehandelt. Das kann manchmal notwendig sein.“
Meine Schläfen pulsieren. Satos Lächeln gefällt mir nicht, er wirkt jetzt eher amüsiert als ernsthaft beunruhigt. Als wäre das Ganze ein Streit unter zwei eifersüchtigen Schuljungen, Kellogg und mir, für die er, Sato, wie ein Lehrer verantwortlich sei. Ich schnaube. „Notwendig? Warum nicht die Sache der Polizei überlassen? Wozu musstet ihr hinter meinem Rücken die IFIS gründen? Wir haben doch alles im Griff! Sollen sie doch ihre Flugblätter-“
„Jefferson!“ Sato hat die Stimme erhoben, was er selten tut und Charlotte ist ebenso überrascht wie ich. Seine Augen sind zu dünnen Schlitzen geworden. „Wir haben alles im Griff? Haben wir das? Die Versorgungslage ist alles andere als gesichert! Die Krankenhäuser sind voll bis unters Dach. Wichtige Medikamente fehlen. Wir haben nicht genügend Fahrzeuge, um die Menschen zur Arbeit zu bringen. Wir haben nicht genügend Material und nicht genügend Fachkräfte, um all die kaputten Strom- und Gasleitungen zu reparieren. Jeden Tag brechen zig Feuer wegen defekter Leitungen aus und wir müssen der Feuerwehr den Sprit rationieren, weil die Krankenwagen und die Polizei auch dringend Benzin benötigen. Kelloggs Männer müssen sich an den Lebensmittelausgaben ihrer Haut erwehren, die Leute würden sie in Stücke reißen, um an das Essen zu kommen, wenn die Truppe nicht bewaffnet wäre. Ganz abgesehen von unserem großen Problem, an dem die Wissenschaftler sich die Zähne ausbeißen! Ja, wir haben alles im Griff, Jefferson, aber es fehlt nur ganz wenig, um aus der Unzufriedenheit weniger den offenen Zorn vieler zu machen! Und bis wir wirklich alles unter Kontrolle haben, wird das IFIS uns helfen, die zerbrechliche Sicherheit, die wir erreicht haben, zu schützen. Und ja: notfalls werden sie vielleicht auch mal auf jemanden schießen müssen, selbst wenn dir das hier in deiner netten, sauberen Suite nicht gefallen sollte!“
Seine Stimme hallt für einen Moment nach, dann senkt sich Stille über den Raum. Sato hat sich ärgerlich abgewandt. Charlotte sieht mich erwartungsvoll an und ich spüre, wie meine Wangen rot werden. Ich setzte gerade an, Sato etwas entgegenzuschleudern, als er sich ruckartig umdreht und beschwichtigend die Arme hebt. Er schüttelt den Kopf, er seufzt und legt mir wieder die Hand auf den Arm. „Es tut mir leid, Jefferson. Das war dumm und ungerecht von mir. Bitte verzeih mir. Du hast mehr als alle anderen dafür getan, dass sich die Dinge in dieser Stadt zum Besseren wenden und natürlich weißt du ganz genau, mit welchen Schwierigkeiten wir kämpfen. Bitte gib mir etwas mehr Zeit! Ich brauche Kellogg und seine Leute noch ein, vielleicht zwei Monate, bis wir die Lage wirklich im Griff haben. Dann gibt es Wahlen und danach lösen wir die IFIS auf und Kellogg geht als Polizeipräsident in Rente. Das sind Kinderkrankheiten der neuen Zeit! Überleg doch, was wir alles gemeinsam schaffen können, wenn wir jetzt nicht die Nerven verlieren und uns gegenseitig zerfleischen. Bitte, Jefferson!“
Er sieht mich flehentlich, fast zärtlich an und es fällt mir schwer, diesem Mann, meinem Freund, nicht zu glauben. Er steht ganz nah bei mir, fast so nahe, wie Charlotte eben noch. Satos Stimme ist jetzt sehr sanft. „Es gibt keine Intrige gegen dich, Jefferson. Bitte, glaub mir. Du warst nicht da, du warst ein paar Tage bei Rhonda und Emily, und das ist ja auch gut so. Aber wir mussten schnell Fakten schaffen, damit die Kompetenzen der Polizei sich keinesfalls in politische Bereiche hinein erstrecken. Wir brauchen die IFIS, Jefferson. Bitte sag nicht nein.“
Sato blickt mich aus klaren, blaugrauen Augen an und sucht mein Einverständnis, als wäre es tatsächlich ich ganz alleine, der darüber entscheiden könnte. Eine Sekunde, die sich anfühlt wie die Ewigkeit, vergeht. Schließlich nicke ich. „Ein Monat, vielleicht zwei“, benutze ich genau seine Worte und Sato seufzt erleichtert auf. Charlotte hingegen blickt betreten zu Boden. Ich weiß,
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