Nach der Hölle links (German Edition)
stieß Andreas noch zu. Dann ging ein Schaudern durch Saschas Leib, und den Bruchteil einer Sekunde später floss Samen über die streichelnde Hand. Er kam leise, aber mit weit offenem Mund, als reiche die Kraft nicht für ein finales Aufstöhnen.
Andreas war sich sicher, nie etwas Aufregenderes gesehen zu haben. Die Flüssigkeiten, er wollte sie auf ihrer Haut verreiben und sich danach nie wieder waschen. Er konnte nicht anders als Sascha zu umarmen, damit der Samen sich zwischen ihnen verteilte.
Bedauern ließ sie gemeinsam ausatmen, als Andreas aus Sascha herausrutschte. Abwesend prüfte er, ob das Kondom an seinem Platz geblieben war. Es schien ihm weit weniger wichtig als die Tatsache, dass Sascha ihm träge zuzwinkerte und ihm bedeutete, sich auf ihn zu legen.
Andreas hatte einen Kloß im Hals, als er den Kopf auf Saschas Brust bettete und sich von ihm umfangen ließ. Am meisten bewegte ihn die Hand, die nach seiner suchte und sie festhielt.
Ein verlockender Geruch stieg ihm entgegen und erinnerte ihn daran, wie gern er früher den Kopf an Saschas Achselhöhle gedrückt hatte, nachdem sie gekommen waren. Wie gut er roch. Wie vertraut und herb und so ganz und gar nach sich selbst.
»Ich habe das vermisst«, gestand Sascha leise.
Ob er damit den Sex meinte, das gemeinsame Ausruhen danach oder gar alles, was damals aus ihnen ein großes Wir gemacht hatte, hinterfragte Andreas nicht. Er schob die freie Hand in Saschas Nacken und kraulte ihn sanft. Ihm etwas Gutes zu tun schien ungeheuer wichtig. Andreas war dankbar. Er wollte nicht denken. Nicht an diesem Abend, nicht in der Nacht, die folgen würde. Er wollte für ein paar Stunden zu Hause sein.
Kapitel 36
Sascha konnte nicht schlafen. Die fremde Umgebung und die Ereignisse des Tages vereinten sich in seinem Kopf zu einem bunten Strudel, der seinen Geist in Bewegung hielt. Dass er im Grunde seines Herzens gar nicht schlafen wollte, tat ein Übriges.
Das Zimmer lag im verfärbten Licht des nahenden Sonnenaufgangs, das durch die Jalousieschlitze kroch. Es kündigte das Ende einer Nacht an, aber keinesfalls das Ende des Faulenzens und Genießens. Das Wochenende lag vor ihnen, und wenn es nach Sascha ging, würde er nicht aus dem Bett weichen.
Er fühlte sich wunderbar. Sein Körper war erschöpft und freute sich daran, stillzuliegen. Sein Verstand hingegen schlenderte träge von einem Ort zum nächsten. Kurioses fiel aus den Aktenschränken seiner Erinnerung und breitete sich zur Betrachtung vor ihm aus, während seine Fingerspitzen bewegungslos auf Andreas’ Hüfte lagen.
Zum Beispiel musste Sascha an den Tag denken, an dem er realisiert hatte, dass er schwul war. Er war zu jung gewesen, um sich mit Begrifflichkeiten wie Homosexualität auszukennen oder sich der Konsequenzen bewusst zu sein, die ein Coming-Out mit sich bringen mochte. Er hatte nur gespürt, dass er in dieser einen Sache anders war als seine Freunde.
Sie waren auf Klassenfahrt gewesen. Sechste Klasse. Biggesee. Ende August. Die Sommerferien waren vorüber, und obwohl sie anfangs über das unspektakuläre Ziel geschimpft hatten, waren alle froh, die heißen Tage am Wasser verbringen zu können.
Sascha erinnerte sich genau. Sie hatten die Atta-Höhle besucht. Der Anblick der gewaltigen Tropfsteine, die von geschickt angebrachten Lichtquellen in Szene gesetzt wurden, hatte sie zum Schweigen gebracht.
Umso lauter war es nachmittags am Ufer des Sees zugegangen. Sie hatten gespielt, sich ins Wasser geschubst, die Füße am heißen Sand verbrannt und sich bekriegt. Die Mädchen jagten die Jungen, die Jungen jagten die Mädchen, wobei das weibliche Geschlecht zwischenzeitlich erhaben schmollte und zu den Jungen einer älteren Schulklasse hinüberspähte, bevor sie ihre vornehme Zurückhaltung aufgaben und sich auf ihre Altersgenossen einließen.
Sascha war damit beschäftigt gewesen, seine Badematte in den Schatten zu ziehen, als Benjamin Kohlhepp an seiner Seite auftauchte und ihn unter Flüstern und Zischen ins nahe Gebüsch zerrte. Dort hatte er ihm aufgebracht einen Zettel unter die Nase gehalten, auf dem stand: »Ich finde dich voll süß. Willst du mit mir gehen? Unten ankreuzen.« Dazu der Name eines Mädchens.
Sascha hatte gelacht und fand den Zettel albern. Vielleicht war er ein bisschen neidisch. Benjamin wusste nicht, was er tun sollte. Unter seinen Sommersprossen war er blass geworden, und er spielte unentwegt mit dem Ohrring, den er sich in der Woche zuvor gegen den Willen
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