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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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an. Zu gern hätte er sie verdrängt und sich selbst der Paranoia bezichtigt, aber er …
    Mit einem Mal wusste Sascha nicht, was er denken sollte. War diese Nacht ein Fehler gewesen? Waren sie jetzt Feinde, Freunde oder ein Paar? Sascha wollte glauben, dass die Nacht etwas bedeutet hatte. Er hatte es gespürt. Vielleicht redete er sich auch etwas ein. Vielleicht wollte er so verzweifelt, dass es etwas zu bedeuten hatte, dass er Andreas’ Verhalten falsch interpretierte.
    Leicht beunruhigt setzte Sascha sich auf. Keine Zeit, faul im Bett herumzuliegen. Er brauchte Antworten – und er wollte sich nicht zum Narren machen, indem er den Weltuntergang heraufbeschwor, während Andreas gut gelaunt Brötchen holen war.
    Nackt durchstreifte er die Wohnung. Er fand Andreas weder im Wohnzimmer noch konnte er ihn durch das Glas auf der weitläufigen Dachterrasse sehen. Die Küche war verwaist, die Tür zu dem Raum, den Andreas als Fitnessraum auserkoren hatte, stand offen.
    Ein innerer Autopilot brachte Sascha zum Badezimmer. Zögernd legte er die Hand auf die Klinke. Er wollte nicht hineingehen; erst recht nicht, als er das Geräusch im Inneren hörte. Ein unterdrücktes Pfeifen, als hätte jemand die Luft bis zur Belastungsgrenze der Lunge angehalten und schließlich stöhnend ausgeatmet.
    Sascha öffnete die Tür. Wollte es rückgängig machen und gleichzeitig vorwärts schnellen. Die warnend erhobene Hand, die sich entgegen hob, verbot es ihm.
    Andreas lehnte mit dem Rücken am Heizkörper unter dem Fenster. Sein rechter Unterarm ruhte auf dem Toilettensitz. Es roch nach Erbrochenem. Schlimmer als das war das aufgedunsene Gesicht mit den rot geweinten Kaninchenaugen. Andreas’ Mund war verkrampft. Er kämpfte um seine Selbstbeherrschung und verlor. Ein unablässiger Strom Tränen rann über seine Wangen, und er zitterte, als würde er von hohem Fieber geschüttelt.
    Sascha konnte es nicht mit ansehen. Panik verlieh Andreas’ Augen ein irres Flackern. Unablässig bewegte er den Mund, schluckte würgend, kroch dabei rückwärts in dem Versuch, mit der Heizung zu verschmelzen.
    Verzweifelt wollte Sascha ihm helfen, zu ihm gehen und ihn festhalten. Ihm sagen, dass es gut werden würde. Dass es nichts gab, vor dem man Angst haben musste.
    Er schaffte nicht einmal einen ganzen Schritt, bevor Andreas keuchte: »Nein! Bleib weg!«
    Sascha ging in die Hocke und verschränkte die Hände.
    »Warum?«, fragte er leise. Er bemühte sich, seiner Stimme einen sanften Unterton zu geben. Dabei sah es in seinem Inneren ganz anders aus. Er hatte vergessen, wie schwer es war, einen anderen Menschen im Zustand rasender Angst zu sehen. Man wollte helfen und war doch machtlos. »Alles ist gut. Was ist denn los?«
    Andreas drehte den Kopf weg und machte eine Handbewegung, die einer Hühner scheuchenden Bäuerin besser zu Gesicht gestanden hätte. »Lass mich. Geh weg. Bitte …«
    Sascha brachte es nicht über sich. Es war falsch. Andreas war zu aufgewühlt. Sascha konnte förmlich sehen, wie es ihn innerlich zerriss.
    »Komm«, lockte er. Seine Stimme war belegt. Er wünschte, er könnte ruhig sein, aber Andreas’ Rastlosigkeit war ansteckend. Seine eigenen Beine wollten in Sympathie mit dem Freund zittern. »Ich setze mich zu dir. Du bist nicht allein. Was … was hältst du davon, wenn wir wieder ins Bett gehen? Ich kann dich festhalten. Und dann …«
    »Halt die Klappe«, schrie Andreas unerwartet. Hysterie schlug Sascha entgegen wie eine Pistolenkugel. »Halt die Klappe, halt einfach die Klappe! Ich kann nicht! Ich kann das alles nicht. Geh weg. Ich …« Er blieb hängen und kroch näher an die Toilettenschüssel, als wäre sie sein einziger Freund im Leben. »Ich würde alles vollkotzen … Was willst du eigentlich hier? Warum musstest du wieder auftauchen? Warum … konntest du nicht wegbleiben? Alles war gut … als du weg warst. Ich hatte Frieden. Und jetzt habe ich Angst. Angst , verstehst du? Und ich … ich will keine Angst mehr haben müssen. Ich will … ich will mich nicht … du gehst doch eh wieder. Schon bald. Alle sind immer gegangen. Alle! Du auch! Und ich will mich nicht daran gewöhnen. Du … hast gesagt, wir bleiben Freunde. Freunde vögeln nicht! Und Freunde schlafen nicht in meinem Bett und lassen zu, dass ich … wieder so bin. Du kommst her und sagst, alles ist anders. Aber nichts ist anders. Du bist nicht anders … und ich auch nicht. Du willst mich doch gar nicht. Niemand würde das wollen. Für dich ist es …

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