Nach der Hölle links (German Edition)
weit. Nur ein kleiner Hüpfer zum Üben. Was hältst du von Island? Oder Ägypten? Oh ja, wir müssen nach Ägypten. Du willst doch bestimmt ins Tal der Könige. Wenn es sein muss, reiten wir auf Kamelen dahin. Obwohl einem davon ja furchtbar schlecht werden soll. Das wäre dann wieder nicht gut für meine Pläne, mich quer durch die örtliche Küche zu futtern. Wir könnten …«
Sascha redete, bis leise Störgeräusche ihn unterbrachen und er sich sicher sein konnte, dass Andreas eingeschlafen war. Erleichtert rutschte er in eine bequemere Haltung und setzte dazu an, durch die halblangen, braunen Haare zu streichen. Der warme Körper an seinem eigenen vermittelte ihm ein Gefühl von Frieden.
Vor seinem inneren Auge sah Sascha Andreas sein Zimmer betreten, hörte ihn noch einmal »Okay« sagen. Realisierte zum zweiten Mal genüsslich, was dieses eine Wort zu bedeuten hatte. Er hätte nicht gedacht, dass ihn vier Buchstaben so glücklich machen könnten. Ein Gefühl von Vollständigkeit baute sich in ihm auf.
Sascha musste grinsen. Hätte man ihn vor ein paar Jahren in die Kategorie Beziehungstyp eingeordnet, wäre er in schallendes Gelächter ausgebrochen. Vielleicht war er auch gar kein Beziehungstyp. Es lag an Andreas, weil alles an ihm wunderbar, aufregend, stimulierend und schlicht passend war.
In der Vergangenheit hatte Sascha sich manchmal gefragt, warum es unbedingt Andreas sein musste. Er hatte nie eine Antwort gefunden, die ihn zufriedenstellte. Streng hatte er sich gefragt, ob seine Gefühle einer Art Helfersyndrom unterworfen waren, aber nie einen Hinweis darauf gefunden. Andreas und er, sie waren stimmig.
Ihm war danach, vor Freude mit den Fäusten auf der Matratze herumzutrommeln. Der einzige Grund, warum er es nicht tat, war, dass er Andreas nicht wecken wollte. Er sollte sich ausruhen; bei und mit ihm.
Sascha senkte das Kinn und küsste Andreas’ Stirn. Einmal. Zweimal. Dann immer wieder. Viele winzige Küsse, weil er nicht wusste, wie er seinen Gefühlen anders Ausdruck verleihen sollte.
Er roch gut, sein Andreas. Sein.
Sascha wollte lachen und jubeln. Und er wollte einschlafen, nur um wenig später in den Genuss zu kommen, mit Andreas’ Geruch in der Nase aufzuwachen. Zufrieden schloss er die Augen.
Sascha döste Stunde um Stunde. Es herrschte vielversprechende Ruhe. Im Halbschlaf rieb er sanft über Andreas’ Kinn. Es kratzte an der Fingerkuppe. Früher hatte es gereicht, wenn Andreas sich morgens rasierte, um bis zum nächsten Tag glatt im Gesicht zu sein. Das hatte sich geändert. Er hatte sich verändert. Blieb zu hoffen, dass für Sascha dasselbe galt. Dass er stärker und weiser geworden war, besser wusste, auf was er sich einließ.
Vorsichtig schob er ein Knie auf die Beine seines schlafenden Freunds und erinnerte sich selig an andere Gelegenheiten, bei denen sie zusammen geruht hatten.
Wie sehr hatte er das vermisst. Dieses tiefe Durchatmen neben Andreas. Entspannung bis in die Haarspitzen. Er selbst sein. Vielleicht hatte ihm das am meisten gefehlt. Bei Andreas war er immer nur Sascha gewesen. Nicht der große Bruder, nicht der verdrehte Sohn, nicht der schwule Nachwuchs, nicht die coole Sau, die jede Party mitnahm, nicht Teil der übermütigen Dorfjugend. Bei Andreas war er immer ein Stück näher an sich selbst als bei anderen Gelegenheiten.
Deshalb liebte er Andreas. Weil er ihn wahrhaftig sein ließ. Und aus tausend weiteren Gründen, die Andreas’ Wesen, Verhalten, Einstellungen und Form betrafen.
Wie tief Saschas Dämmerzustand gewesen war, merkte er erst, als Andreas plötzlich hinter ihm lag und ihn am Hals küsste. Sascha reckte sich den streichelnden, neckenden Lippen entgegen, griff hinter sich und fand einen Oberschenkel. Drückte ihn schlaftrunken. Er schauderte, als er realisierte, dass sie endlich feiern konnten.
Andreas’ Zunge wanderte nach oben, schnellte hinter das Ohr und ließ Sascha glauben, vom Schatten in die pralle Sonne zu treten. Urplötzlich war ihm am ganzen Körper heiß. Er wollte sich nicht rühren, um zu sehen, was Andreas vorhatte.
Sein Plan scheiterte, als er es murmeln hörte: »Dreh dich um. Mach schon.« Es klang nicht wie ein Befehl, eher wie eine verzweifelte Bitte, der er sich nicht entziehen konnte.
Einen Sekundenbruchteil später fand Sascha sich in einer Umarmung, die ihm den Atem abschnürte. Andreas war unter ihm, hatte unter seinen Armen hindurch gegriffen und seine Schultern gepackt. Zog ihn auf sich. Hart.
Ihr Kuss war
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