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Nach der Hölle links (German Edition)

Nach der Hölle links (German Edition)

Titel: Nach der Hölle links (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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sich und zog sich die Schuhe aus. Dann robbte er auf Andreas zu und legte sich neben ihn. Behutsam schlang Sascha den Arm um den angespannten Bauch und zog seinen Freund näher an sich. Augenblicklich atmete Andreas keuchend ein, sträubte sich und gab plötzlich nach, um den Kopf an Saschas Schulter zu legen.
    »Scheiße … tut mir leid. Es tut mir so leid«, wisperte er. »Ich mache alles kaputt. Ich … ich … Du musst nicht bleiben. Du solltest gehen …«
    »Dieses Mal nicht«, antwortete Sascha und umfasste Andreas’ Hand. Die einzelnen Finger zitterten und packten gleichzeitig zu wie die Klauen eines Raubvogels. »Ich bin hier. Und ich gehe nicht weg.«
    Andreas gab ein Geräusch zwischen Winseln und Schnauben von sich. »Das sagst du jetzt. Aber morgen … oder in einer Woche … ich kann das nicht. Ich kann das nicht!«
    Auch wenn Sascha wusste, dass die Angst sprach, schmerzte es. Da war keinerlei Vertrauen, keine Hoffnung auf einen guten Ausgang – nur die Angst. Obwohl er vom rationalen Standpunkt aus wusste, dass eine Panikattacke nicht gleichbedeutend mit einem Rückzieher war, empfand Sascha seinerseits Unsicherheit. Auch er konnte nicht dauernd hin- und hergeschleudert werden, sehnte sich nach Stabilität. Was, wenn Andreas nun alle 24 Stunden seine Meinung wechselte und ihn jedes Mal von Neuem von den Füßen riss?
    Stumm beschwor Sascha sich, nicht auf den Zug aufzuspringen, der Andreas’ Rationalität in den Abgrund führte.
    Als wolle er seine Überlegungen unterstreichen, rückte er dichter an Andreas, bevor er flüsterte: »Was kannst du nicht? Red mit mir. Nur sag mir, was in deinem Kopf vorgeht.«
    »Du wirst gehen«, wand Andreas sich. »Würde ich auch. Ich meine, wir sollten jetzt rummachen. Normal sein. Aber das … geht nicht. Weil ich nicht normal bin! Du wirst immer zu kurz kommen … und du wirst gehen. Und dann werde ich … das schaffe ich nicht. Ich kann das nicht noch einmal. Ich halte das nicht aus. Ich werde mich an dich … gewöhnen. Und wenn du gehst, werde ich zusammenbrechen. Dann werde ich von vorn durch die H-h-hölle gehen. Ich kann mich doch selbst nicht leiden. Warum solltest du dann bleiben? Du bist so … gut. Zu gut für mich. Wenn es dann … passiert, was mache ich dann? Wenn ich wieder ins Krankenhaus muss? Wenn ich nicht mehr rausgehen kann?« Er verschluckte sich, hustete und würgte, bevor er hinzufügte: »Ich halte das nicht aus. Ich habe solche Angst. Angst. Angst. Angst!«
    »Ich weiß«, murmelte Sascha und drückte Andreas’ Hand. »Aber ich bin hier. Ich will diesen Weg gehen. Und ich will dich. Ich habe so lange gewartet. Niemand erwartet von dir, dass du keine Angst hast. Oder dass du perfekt bist. Du darfst Angst haben.«
    »Ich kann nicht …«
    »Shhh, ruhig. Versuche mit mir zu atmen. Ein und aus …«
    Obwohl sie bewegungslos im Bett lagen, führten sie Krieg. Der Gegner war die Angst, die Andreas aus jeder Pore kroch und ihn schlottern ließ, als wäre er im Winter in einen See eingebrochen. Sie übernahm seinen Körper und, was weitaus schlimmer war, sein Denken.
    Sascha bemühte sich, ruhig und deutlich hörbar zu atmen. Er wollte, dass Andreas sich daran festhalten konnte, wie er sich an seiner Hand festhielt. Ein Gefühl unerträglicher Zärtlichkeit überkam ihn, als der Mann an seiner Seite sich zunehmend an ihn drängte. Ihn und seine Hilfestellung akzeptierte und sich darauf einließ. Sich unmerklich entspannte, bis die nächste Welle ihn schüttelte und Andreas mit brüchiger Stimme keuchte: »Erzähl mir was. Bitte.«
    »Was denn?«
    »Egal. Irgendetwas.«
    Es dauerte einen Moment, bis Sascha begriff, dass es nicht wichtig war, was er Andreas erzählte. Seine Stimme sollte zum Anker werden und von der Angst ablenken. Die Vorstellung, über Trivialitäten zu reden, während Andreas vor Angst fast den Verstand verlor, war befremdlich und räumte Saschas Kopf leer. Erst, als sich Fingernägel in seinen Handrücken bohrten, begann er zu reden. Ohne zu wissen, was er sagen wollte.
    »Ich war mit Katja am Strand«, raunte er mit dem Mund an Andreas’ Schläfe. »Wir müssen da mal zusammen hingehen. Einfach in der Sonne herumliegen und schwimmen, wenn es heiß ist. Oder wir fahren ans Meer. Was hältst du davon? Wenn ich mir Tanjas Auto leihe und wir zusammen an die Küste fahren? Wir müssten keinen Menschen sehen. Wir spielen Selbstversorger. Oder hey, wir könnten uns auf einem Campingplatz einmieten. Mit Zelt und so. Ich würde

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