Nach der Hölle links (German Edition)
wiederum versuchte er, Sascha in der Rangliste ihres Mini-Rudels auf Platz 3 zu verdrängen.
Seit Februar lief es gut. Andreas konnte Triton im Notfall einen halben Tag allein lassen und an die meisten Orte mitnehmen, ohne dass es Schwierigkeiten gab. Letzteres musste sein, denn seit vier Wochen war Andreas offiziell ein Angestellter des Tierheims. Zwar nur mit wenigen Stunden und einem lächerlichen Verdienst, den er gar nicht brauchte, aber es war eine geregelte Arbeit.
In dieser Sache war Köninger eisern gewesen. Egal, wie oft Andreas betont hatte, dass er das Geld nicht brauche, hatte der Therapeut dagegen gehalten, dass es um die veränderte Verpflichtung ginge. Um Zuverlässigkeit, um Selbstwertgefühl, um normalen Druck vom Arbeitgeber, um ein Leben, in dem man nur zu Hause blieb, wenn es einem wirklich schlecht ging.
Schließlich hatte er eingewilligt, den Vertrag unterschrieben und zugeben müssen, dass die Arbeit sich danach anders anfühlte als im Praktikum. Dass Andreas dem Tierheim seinen Lohn in Form von Futterspenden, Spielzeug oder Medikamenten für die Praxis wieder unterschob, war eine andere Sache. Er wollte und konnte das Geld nicht behalten, da er wusste, dass die Tierheimleitung jeden Cent einzeln umdrehen musste.
Andreas wünschte, alles würde so positiv verlaufen wie die Erziehung von Triton und seine Arbeit. Seit dem Outing hatte er noch mehr Probleme mit seiner Familie. Sein Vater gab sich nicht anders als vorher. Dafür hatte Andreas manchmal das Gefühl, seine Mutter mit dem Spachtel aus der Telefonleitung kratzen zu müssen. Sie strengte ihn an, forderte zu viel ein – und manchmal war er so wütend, dass er kein Wort mehr herausbrachte. Er verstand ihre Not, sogar ihr Mitteilungsbedürfnis, aber er konnte ihr nicht helfen. Selbst wenn er dazu fähig gewesen wäre, war einfach nicht genug Zeit vergangen. Er konnte nicht vergessen. Es war nicht lange genug her, dass er sich gestattet hatte, wütend auf seine Eltern zu sein. Er konnte nicht innerhalb von ein paar Monaten die Spur wechseln. Dafür hatten sie ihm zu viel von seinem Leben gestohlen.
Sein Großvater war ein anderes Thema. Seitdem er von Andreas’ Homosexualität wusste, hatte er sich zurückgezogen. Er war zu korrekt, um unhöflich zu sein, aber ihr Verhältnis war abgekühlt. Andreas spürte, dass Gustav von Winterfeld ihn auf einmal aus anderen Augen sah. Für offene Ablehnung oder gar Ekel reichte es nicht, aber Skepsis und Unverständnis dominierten ihre seltenen Begegnungen.
Ein weiterer Negativpunkt war die Funkstille, die Andreas Sascha und sich kurz vor Weihnachten eingebrockt hatte. Im Nachhinein kam er sich sehr dumm vor. Sie waren auf einer Weihnachts-Party im Filmvorführraum der Universität gewesen. Nach dem ersten Bier hatte Andreas das inzwischen vertraute Flattern hinter sich gelassen und war interessiert durch die Halle spaziert.
Nicht viel später war er von einem freundlichen Kerl angesprochen worden. Sie hatten sich recht nett unterhalten, und Andreas brauchte nicht lang, um zu begreifen, dass sein Gegenüber schwul war. Während Sascha mit Isa über die Tanzfläche zappelte, war das Gespräch ernster geworden. Und irgendwann hatte der neue Bekannte die Bombe platzen lassen: Er war ein Ex-Freund von Sascha und nur auf ihn zugekommen, um ihn zu warnen.
Nils hatte gewaltigen Schaden angerichtet, denn er war zielsicher auf Andreas’ Ängste losgegangen. Hatte erzählt, wie es ihm ergangen war, wie weh es getan hatte, als Sascha ihn fallen gelassen hatte. Sein Gesichtsausdruck war ehrlich gewesen; so verletzt, so erschüttert, dass Andreas, dem menschliche Erfahrungswerte fehlten, nicht anders konnte, als Nils’ Gerede in seinen Kopf und sein Herz sickern zu lassen.
Das Schlimme war nicht, dass er Nils nicht sofort zum Teufel gejagt hatte. Das Schlimme war, dass er sich in den folgenden Tagen von Sascha zurückgezogen hatte, statt ihn auf das Gehörte anzusprechen. Sie drifteten auseinander. Sascha war verletzt, Andreas verunsichert und schließlich hatten sie sich fürchterlich wegen einer Kleinigkeit gestritten.
Es dauerte zwei Wochen, bis es Sascha gelang, Andreas den wahren Grund für dessen Zurückhaltung aus der Nase zu ziehen. Er war wütend gewesen – auf Nils –, verletzt – von Andreas – und vielleicht ein bisschen gerührt, weil da so viel Angst war, ihn zu verlieren.
In der Nacht nach ihrer stockenden Aussprache genossen sie den besten Sex, den sie je gehabt hatten. Innig,
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