Nach der Hölle links (German Edition)
deinen Geburtstag haben«, zog Sascha vielsagend die Augenbrauen hoch. »Ich dachte, meine Tante dreht ihr den Hals um.«
Andreas konnte das alles nicht glauben. Seine Eltern hatten ihm am Morgen nichts davon gesagt, dass sie ein weiteres Geschenk für ihn bereithielten. Sie hatten ihm gratuliert – sein Vater steif, seine Mutter heulend – und ihm ihre Briefumschläge in die Hand gedrückt. Ob sie weinte, weil er Geburtstag hatte oder weil sie sich einmal mehr mit ihrem Mann gestritten hatte, wusste Andreas nicht.
Wichtiger als das: Sie würden in den Urlaub fahren. Zehn Tage Dänemark mit Sascha und …
»Und was ist mit Triton? Darf er mit oder sind in dem Ferienhaus Hunde verboten?«
»Natürlich. Ich bin doch nicht verrückt und versuche dich von unserem Lieblings-Flokati zu trennen«, erklärte Sascha. Lachend gab er zu: »Richtig toll wird er den Kofferraum wohl nicht finden. Du weißt ja, dass er nicht gern Auto fährt, und Tanjas Wagen ist eigentlich echt zu klein für ihn. Schon allein deshalb müssen wir bestimmt oft Pause machen.«
»Tja, wir sind schon ein tolles Gespann. Geraten beide in Panik«, murmelte Andreas.
Er hatte schreckliches Herzrasen. Urlaub. Urlaub! Mit Sascha. Wegfahren. Das Meer sehen. Überhaupt etwas Neues sehen. Ein fremdes Land.
Konnte er? Wollte er? Bei Ersterem war er sich nicht sicher, aber ja, er wollte. Endlich keine Fotos mehr ansehen, nicht mehr im Internet surfen. Wirklich auf der Düne stehen. Das Salz in der Luft riechen. Im Sand sitzen. Einsam sollte es sein. Wunderschön. Die Menschen freundlich. Und nicht weit weg von Hamburg. Ja, sie konnten jederzeit verschwinden, wenn es ihm zu viel wurde.
»Ich habe keine Ahnung, ob ich das packe«, gab er zu. »Es wird schwierig.«
»Das sehen wir dann«, sagte Sascha weich. »Die Frage ist: Willst du es versuchen?«
Seltsamerweise fiel es Andreas nicht schwer, eine Entscheidung zu fällen. Er brachte sie nicht über die Lippen, aber er nickte. Adrenalin ließ ihn innerlich beben. Vorfreude rang mit den Sorgen, die ihn unweigerlich überfielen. Er würde mit Köninger sprechen müssen; jede Woche bis zur Abfahrt. So viel Stabilität wie möglich mitnehmen und das Beste hoffen.
Saschas Umarmung ließ Andreas ächzen. Sein Brustkorb wurde zusammengepresst, und der Aufschrei an seinem Ohr erinnerte ihn an einen Schlachtruf. Die Kraft, die von Sascha ausging, schwappte über ihn hinweg und machte ihm das Atmen leichter.
Zusammen. Reisen. Sie beide. Jeder Tag würde ein Triumph sein. Wer nachmittags auf seiner Terrasse saß, konnte auch an einem einsamen Strand liegen.
»Das wird toll«, freute Sascha sich. »Wir lassen es ganz ruhig angehen. Rumgammeln bis zum Abwinken, richtig die Seele baumeln lassen.«
»Ja«, flüsterte Andreas. Sein Daumen hakte sich in die hintere Hosentasche von Saschas Jeans. »Aber hey … können wir noch ein bisschen draußen bleiben? Ich glaube, wenn ich da jetzt reingehe, dann …«
»Natürlich.«
Andreas wollte sein Glück nicht überstrapazieren, indem er sich jetzt seinen Gästen stellte – und darüber hinaus wollte er sowieso mit Sascha allein sein. Wenigstens für ein paar Minuten.
Epilog
Ein kalter Windhauch strich Sascha um die nackten Beine. Der Kontrast zur heißen Kaffeetasse in seinen Händen war groß. Aufmerksam beobachtete er durch die offene Tür, wie Triton die Rasenfläche vor dem Ferienhaus erkundete. Eigentlich ließ Sascha den Kuvasz nicht gern ohne Leine laufen, aber in der Weite der dänischen Insellandschaft gab es weit und breit niemanden, der sich daran störte. Um sie herum war nur Natur. Kein anderes Ferienhaus, kein Kiosk, kein Supermarkt. Die Straße, die zu ihrem Domizil führte, war nicht mehr als eine sandige Buckelpiste, die niemand außer ihnen nutzte. Eine ruhige Gegend mit Zugang zum Meer; perfekt für Hund und Herrchen.
Sascha fischte eine dritte Butterwaffel aus der Kunststoffverpackung und zerlegte sie in ihre Einzelteile. Genüsslich schob er sich einen Bissen in den Mund und verteilte einen feinen Krümelregen über die Arbeitsplatte, auf der er saß.
Er war viel zu früh wach. Nach der langen Fahrt hatte er damit gerechnet, dass er erschöpft sein würde. Stattdessen schwankte er zwischen genießerischer Urlaubsfaulheit und dem Ehrgeiz, die nähere Umgebung zu erkunden.
Andreas schlief noch. Er hatte es sich verdient. Obwohl er sich auf der Fahrt sehr tapfer gehalten hatte, waren ihm bei ihrer Ankunft an dem niedrigen Holzhäuschen die
Weitere Kostenlose Bücher