Nach der Hölle links (German Edition)
für dich aus.«
Unter dem Gelächter seiner Gäste näherte Andreas sich langsam seinem Gabentisch. Ihm war heiß, und er brauchte einen Augenblick, um sich zu sammeln. Was hatten sie getan, und warum? Sie wussten, dass es nichts gab, was er sich nicht selbst kaufen konnte. Dass sie gekommen waren, war für ihn ein viel größeres Geschenk als alles, was man in einem Laden erstehen konnte.
Nervös schob Andreas die Hände in die Hosentaschen. Aus den Augenwinkeln sah er sich um. Er wurde beobachtet. Sascha lehnte hinter ihm an einem Regal und strahlte geradezu.
»Ich soll das jetzt auspacken, ja?«, fragte Andreas. »Wir könnten auch erst einmal essen und …«
»Nein!«, schallte es lautstark von allen Seiten zurück.
»Na dann …«
Zögernd nahm er ein kleines Päckchen in die Hand. Es war leicht. Vorsichtig löste er das Papier und betrachtete den Inhalt. Hinter ihm kicherte es.
»Playmobil?«, rutschte es ihm heraus. Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte.
»Ja«, raunte Sascha. »Genau genommen ein Playmobil-Wikinger.«
»Ehm …«
»Pack weiter aus.«
Andreas brauchte eine halbe Stunde, um sich durch die Geschenke zu wühlen. Nach und nach zeichnete sich ein Bild ab. Er bekam einen silbernen Anhänger, der von den Verzierungen an einem Drachenschiff abgegossen war, wie Brain ihm erklärte. Es gab mehrere Bücher. Einige waren Fotobände oder historische Romane, andere waren Reiseführer oder Wörterbücher. Sogar eine Straßenkarte von Süddänemark war dabei. Dazu kamen Sonnenmilch, ein Trinkhorn, ein Strandlaken, dänische Marmelade, eine Einwegkamera, eine ganz und gar scheußliche Miniatur der Jungfrau von Kopenhagen, ein Buddelschiff und eine Schale mit Sand und Muscheln. In letzterer steckte eine kleine Schriftrolle, die Andreas vorsichtig öffnete. Las. Schluckte.
Der Boden unter ihm begann zu schwanken. Er wollte schreien, weinen, wütend werden, dankbar sein. Vor allen Dingen aber wollte er Sascha umarmen. Als er es tat, pfiffen die anderen auf den Fingern und jubelten.
Andreas bekam nur am Rand mit, wie Sascha den Gästen verstohlen zuwinkte. Es war sein Verdienst, dass die Gäste plötzlich wie ausgehungert waren und ihnen keine Beachtung mehr schenkten.
Mit weichen Knien ließ er sich von seinem Freund auf die Terrasse führen. Stumm hielt er sich an Sascha fest und tastete mit beiden Händen über dessen Rücken. Weiche Lippen berührten seine Schläfe und saugten sich kurz daran fest. »Schon gut. Wir müssen nicht fahren.«
Andreas schüttelte den Kopf und drängte sich enger an Sascha. »Ich will. Ich will ja fahren. Aber wie … und warum … du kannst doch nicht einfach … das ist viel zu teuer. Und was, wenn es nicht klappt? Ich will nicht, dass …«
»Psst, wir haben an alles gedacht, sogar an eine Reiserücktrittversicherung. Das Ferienhaus steht auf Rømø. Das ist nicht weit von hier. Drei Stunden Fahrt, dann sind wir da. Es ist nur für uns, liegt zwei Kilometer vom nächsten Haus entfernt und ist lächerliche 400 Meter vom Strand weg. Wir bekommen das Auto von Tanja. Aiden ist in der Zeit zu Hause, sodass der große Wagen da ist und sie ihren kleinen nicht braucht. Wir können unterwegs so viele Pausen machen, wie wir wollen und jederzeit zurückfahren. Oder wir bleiben nur ein Wochenende statt der ganzen zehn Tage.«
»Was, wenn ich es auf dem Schiff nicht aushalte? Rømø ist doch eine Insel, oder?«
»Ja, aber es gibt einen Damm. Wir nehmen nicht das Schiff.«
Andreas zitterte vor Aufregung, Reiselust und Angst. »Aber du kannst doch nicht so viel Geld ausgeben. Ehrlich, das kostet doch ein Vermögen. Und du jobbst nicht mehr und …«
Liebevoll rieb Sascha Andreas die Schultern. »Das ist alles geregelt. Erstens spare ich eine Menge Geld, weil ich bei Tanja wohne. Sie nimmt nichts von mir an, und mein Vater will es nicht haben. Er sagt, er müsse Katja und mir dasselbe geben. Zweitens hast du keine Ahnung, wie billig mein Leben ist, seitdem ich deinen Kühlschrank leer essen kann. Du lässt mich ja nichts vom Einkauf bezahlen. Drittens ist es unser Urlaub; nicht nur deiner. Und ich freue mich darauf, mit dir wegzufahren. Und …«, fügte er etwas leiser hinzu, »… da waren zwei Helfer, die darauf bestanden haben, sich finanziell zu beteiligen. Ich hatte ehrlich gesagt Schwierigkeiten, überhaupt etwas selbst bezahlen zu dürfen.«
»Tanja? Dein Vater?«
»Nein, deine Eltern. Deine Mutter hat bei uns vor der Tür gestanden und wollte Hilfe für
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