Nach der Hölle links (German Edition)
verzweifelt, hemmungslos. Sie lernten, dass genießen und Spaß haben nicht dasselbe war, wie sich gehen zu lassen. Sie hatten weitergemacht, bis es wehtat – und danach noch einmal. Konnten sich nicht loslassen. Konnten nicht stillhalten. Konnten nicht warten. Danach waren sie sich näher denn je gewesen.
Nachdenklich klopfte Andreas Tritons Seite. Mit Sascha hatte sich viel verändert, er sah es selbst. Auf einmal gab es Gründe zum Kämpfen und jemanden, an den man sich wenden konnte, wenn man etwas nicht schaffte.
Sascha hatte sein Fühlen verändert. Früher hatte Andreas sich gegen den Wind gestemmt und in der Tiefe seines Herzens nicht gewusst, wofür. Dennoch waren verpatzte Übungen Ausdruck seines Versagens für ihn gewesen. Heute war eine Panikattacke im Supermarkt nicht mehr als eine Panikattacke; unangenehm, widerwärtig, absolut nicht wiederholenswert, aber kein Weltuntergang.
Sascha machte seine schlechten Tage nicht nur heller, er wusste Andreas auch zu belohnen, wenn seine Übungen eine einzige Quälerei gewesen waren. Er scheuchte den erschöpften Freund aufs Sofa oder in die Hängematte, versuchte sich im Kochen, brachte ihn zum Lachen.
Den Einkauf hingegen nahm er ihm nie ab. Ein einziges Mal war er an seiner Stelle in den Supermarkt gegangen. Bei dieser Gelegenheit lag Andreas allerdings mit einer Bronchitis und 39 Grad Fieber im Bett. Da war es auch Köninger recht gewesen, dass Sascha ihm aushalf.
Das Leben ist gut, dachte Andreas. Nicht einfach, aber gut.
Es war nicht einzig Saschas Zutun, aber er half sehr, gab ihm Sinn und bestand auf eine Geburtstagsparty, die Andreas von sich aus nicht initiiert hätte. Er hatte noch nie eine eigene Party gefeiert. Jetzt räumte eine Meute Freunde und Bekannter aus geheimnisvollen Gründen sein Wohnzimmer um.
»Was machen die da drin, Dicker? Kannst du mir das sagen?«, flüsterte er und legte die Wange auf Tritons Schädel. »Brauchen wir hinterher die Feuerwehr? Oder lieber einen Müllcontainer?«
Eine Antwort bekam er nicht. Aber es dauerte nicht lange, bis Sascha grinsend auf die Terrasse stolperte und ihm ein Sektglas in die Hand drückte. »Okay, wir sind fertig. Dann schwing mal die Haxen und schau’s dir an.«
Andreas schluckte. »Will ich das?« Er war ein wenig nervös, da er nicht wusste, was ihn erwartete. Er vertraute darauf, dass Sascha keinen Unsinn inszeniert hatte.
Widerstrebend ließ er sich auf die Füße ziehen und Richtung Wohnzimmer schieben. Was ihn dort erwartete, war nicht weniger als ein maritimes Freudenfest. Innerhalb der Viertelstunde, die Andreas auf der Terrasse verbrachte, hatten seine Freunde seine Wohnung in ein dänisches Patriotismus-Spektakel verwandelt.
In der Mitte des Raumes standen zwei Tapeziertische. Sie waren mit rot-weißen Papiertischdecken belegt und drohten unter dem Buffet, das die Freunde aufgebaut hatten, zusammenzubrechen.
Das Kernstück der Leckereien bildete ein gewaltiger Kuchen, der seinerseits die dänische Flagge zeigte; aus Zuckerguss und buntem Marzipan, wenn Andreas sich nicht irrte. Dazu gab es Hot Dogs, Rote Grütze, Fischplatten, einen Topf, der aussah, als enthielte er Labskaus, Salate, Brot und auf mehreren silbernen Tabletts allerlei fremdartig aussehendes Gebäck. Und in fast jeder Schüssel, in jedem zweiten Fischhappen und in den ungesund roten Hot Dog-Würstchen steckten Fähnchen. Dazu gab es Bier. Aus Dänemark, natürlich.
Verwirrt sah Andreas sich zu seinen grinsenden Gästen um. Auch über ihren Köpfen waren Wimpelketten in den Farben Dänemarks angebracht. Sie baumelten von den Regalen, hingen von der Decke und klebten als Poster an den Wänden.
»Irgendwie … wollt ihr mir irgendetwas sagen?«, fragte er. Der tiefere Sinn von Motto-Partys war Andreas bekannt, aber warum ausgerechnet dieses Thema?
Sascha lachte und drückte ihm einen Kuss in den Nacken. »Wer weiß?«
Katja, die ein Tuch mit entsprechendem Muster in die Haare gebunden trug, deutete auf einen weiteren Tisch, der im Durchgang zum Schlafzimmer stand. »Du wirst schon verstehen. Aber jetzt: Geschenke auspacken. Hopp hopp.«
Halb verlegen, halb aufgeregt schielte Andreas zu dem kleinen Berg Päckchen, der – wie nicht anders zu erwarten – in rot-weißen Geschenkpapieren auf ihn wartete.
»Ihr solltet doch nichts kaufen«, erinnerte er. »Das war wirklich nicht nötig.«
»Schwachsinn«, tönte Mandy. »Du hast Geburtstag. Am Geburtstag gibt’s Geschenke. Also zier dich nicht, sonst packe ich
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