Nach dir die Sintflut
Taxi näherte sich, und dann rollte es ohne langsamer zu werden vorbei. Rebecca schaute dem Wagen nach, der sich in östlicher Richtung über die Dundas Street entfernte, und fühlte sich auf niederschmetternde Weise abgelehnt. Die Tränen stiegen ihr in die Augen. Das Gefühl war intensiver als je zuvor - es war, als wäre sie eben verlassen oder bei der wohlverdienten Beförderung übergangen worden. Als sie ein zweites Taxi entdeckte, war sie zu nervös, um die Hand zu heben. Während es näher kam, verebbte Rebeccas Gefühl der Ablehnung. Als der Wagen noch fünfzig Meter entfernt war, hob Rebecca den Arm, aber auch dieses Taxi fuhr einfach vorbei. Rebecca tobte vor Wut.
»Arschloch!«, schrie sie dem Fahrer hinterher. Sie stampfte mit dem Fuß auf. Sie steckte sich ein Nikotinkaugummi in den Mund und kaute grimmig. Aber ihr Ärger war verflogen, noch bevor das dritte Taxi in Sichtweite kam. Rebecca hob die Hand. Als der Wagen langsamer wurde und direkt vor ihr anhielt, war Rebecca überwältigt vor Freude. Sie hüpfte auf und ab und ruderte mit den Armen.
»Danke! Danke! Ich danke Ihnen!«, sagte sie, als sie auf die Rückbank kletterte. Sie setzte sich in die Mitte und lehnte sich zwischen die Vordersitze. »Ich bin ja so froh, dass Sie angehalten haben! Das hat mich wirklich sehr glücklich gemacht!«
»Ach ja?«, sagte der Fahrer und schaltete das Taxameter ein. »Wohin?«
»E. Z. Self Storage. Broadview und Queen!«
Der Fahrer schwieg. Das Taxi fuhr los. Rebecca starrte auf ihre Hände und fragte sich, worüber sie sich so gefreut hatte.
Edward begrüßte sie an der Tür. Der ist wirklich groß , dachte sie.
»Hallo, Rebecca«, sagte Zimmer. Er konnte Rebeccas Gefühlslage nicht einschätzen, was ihm Grund zur Sorge gab.
»Hallo«, sagte Rebecca.
»Erkennen Sie mich?«
»Sie sind Edward Zimmer.«
»Wie gut kennen Sie mich?«
»Ich habe Sie am 14. April vor sieben Jahren kennengelernt, als ich den Lagerraum 207 angemietet habe.«
»Sind wir befreundet?«
»Wir nennen uns beim Vornamen. Das hat etwas zu bedeuten.«
»Was bedeutet es?«
»Dass wir uns schon lange kennen?«
»Sind sieben Jahre in dieser Hinsicht eine lange Zeit?«
»Ich kenne die wenigsten Leute länger als sieben Jahre.«
Zimmer zog die Hände aus den Hosentaschen und legte sie auf Rebeccas Schultern. Mit sanftem Druck schob er sie in sein Büro. Er schaltete die Überwachungsmonitore aus. Er klappte seinen Laptop zu und schaltete das Radio aus. Im Raum wurde es still. Man konnte die Autos auf der Schnellstraße hören, und das stetige Brummen des Verkehrs beruhigte Rebecca. Zimmer schob ihr einen Stuhl hin, und sie setzte sich.
»Sie müssen mir genau beschreiben, was Sie fühlen.«
»Ehrlich gesagt fühle ich gar nichts, Edward.«
»Wie ist es mit den kleinen Dingen? Wie reagieren Sie darauf?«
»Da haben Sie Recht. Eben noch wollte ich einen Taxifahrer ermorden, und den nächsten wollte ich küssen.«
»Und wie ist es mit den großen Sachen?«
»Welche, zum Beispiel?«
»Was ist mit Ihrer Schwester?«
»Ich glaube, da fühle ich gar nichts.«
»Sind Sie verwirrt?«
»Nur, wenn Sie mir Fragen stellen. Anscheinend kann ich im Moment nur schlecht Entscheidungen treffen.«
»Wann haben Sie Lagerraum 207 ausgeräumt?«
»Vor zwei Tagen. Oder drei?«
»Was haben Sie behalten?«
»Nichts.«
Zimmer schnappte nach Luft. »Nichts?«, fragte er.
»Nichts.«
»Keine Fotos? Andenken? Nicht einmal Ihr Highschool-Jahrbuch oder Schmuck?«
»Ich habe alles weggeschmissen.«
»Aber Sie müssen zu Hause noch irgendwelche Sachen haben?«
»Alles war hier.«
»Sie haben alles in den Container geworfen? Im Hinterhof?«
»Ja.«
Edward Zimmer wirbelte auf seinem Drehstuhl herum und schaute auf den Kalender an der Wand. Heute war Dienstag. Normalerweise wurde der Müll am Montagabend abgeholt, aber vielleicht hatten sie noch eine kleine Chance.
»Warten Sie hier«, sagte er, »gehen Sie nicht weg.«
»Okay.«
»Ich meine es ernst. Tun Sie gar nichts. Absolut nichts!«
»Ich bin kein Kind.«
Zimmer hatte keine Lust, sich zu streiten. Er zwang sich zur Ruhe und ging gemäßigten Schritts zum Parkplatz hinter dem Gebäude. Der Müllcontainer kam in Sichtweite. Der Deckel lag komplett auf. Der Container sah leer aus, aber Zimmer ging trotzdem hin. Er hob den Deckel und schaute hinein. Am Boden klebte ein gelber Müllsack mit alten Zeitungen. Zimmer ließ den Deckel los, der mit einem lauten, metallischen Krachen
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