Nach dir die Sintflut
benutzt, was Ewigkeiten her zu sein schien. Die Pfützen waren inzwischen so groß und seine Kleider ohnehin so nass, dass er nicht länger einen Bogen darum schlug, sondern mitten hindurchwatete.
An der Kreuzung von Albert und McDermot entdeckte Lewis, was er für die letzte originalgroße Telefonzelle der Welt hielt. Er zog die Tür hinter sich zu und wischte sich den Regen mit dem Jackenärmel aus dem Gesicht. Er schüttelte den Kopf und spritzte Wassertropfen an die Plexiglasscheiben. Nach einer so langen Zeit ohne Farben und Geräusche fand Lewis selbst das schwarze Plastik des Telefonhörers und die Rinnsale am Plexiglas überwältigend schön. Lewis musste die Augen schließen, um sich an die Telefonnummer zu erinnern, die seine Frau ihn auswendig zu lernen gezwungen hatte. Es klingelte, und nach dem dritten Klingeln wurde der Anruf angenommen.
»Rebecca? Bist du es?«
»Ja.«
»Ich habe nicht viel Zeit, deswegen hör mir bitte genau zu.«
»Wer spricht da?«
»Hier ist Lewis. Hör mich einfach an.«
»Lewis Taylor?«
»Rebecca - du hattest Recht. Du hattest ja so Recht. Ich habe deine Schwester schlecht behandelt. Ich habe nicht gemerkt, dass sie mein Lebensinhalt ist. Bitte vergib mir dafür, dass ich das, was sie mich lehren wollte, erst nach ihrem Tod gelernt habe.«
Lewis wartete auf eine Antwort, hörte aber nichts. Die Leitung war tot. Mit einem Blick auf seine Füße stellte er fest, dass das Wasser am Boden der Telefonzelle zusammenlief und in rasend schnellem Tempo stieg.
Fünfundfünfzig
Unerwartete Folgen einer unerwarteten Entschuldigung
Während der Regen Rebeccas Kleider durchnässte, begann Lewis’ Entschuldigung, ihre emotionale Unverwundbarkeit aufzubrechen. Sie betrachtete ihre Hände. Die Haut war wieder fest, und Rebecca fühlte sich offener und freier als je zuvor in ihrem Leben.
Rebecca wusste, der Zustand war labil, und um ihn zu halten, dachte sie an Stewart. Sie ging chronologisch vor und rief sich alle bedeutenden Ereignisse ihrer Beziehung in Erinnerung. Sie sah ihn neben dem kaputten Rücklicht knien. Sie sah ihn am Motor des Karmann Ghia herumbasteln. Sie sah ihn bei ihrer ersten Verabredung, beim Einzug in die erste gemeinsame Wohnung und beim Hochzeitstag.
Die Erinnerungen waren so glasklar, dass Rebecca den Park und die Bank und den Regen vergaß. Fast erlebte sie die erinnerten Momente zum zweiten Mal. In ihr hatte ein kleiner Überrest der Gefühle für Stewart überlebt. Die Kombination ihrer neuen Verletzlichkeit mit der lebendigen Erinnerung ergab eine kleine Lücke in ihrem Panzer. Bei der Erinnerung an den Tag, als Stewart sie verlassen hatte, verliebte sie sich erneut in ihn.
Der Auflösungsprozess war jedoch so weit fortgeschritten, dass die Erinnerungen allein Rebecca nicht retten konnten. Sie versuchte, nach ihrem Handy zu greifen, aber es fiel durch ihre Finger. Es gab nur einen Ausweg, den ein Teil von ihr - ihr
Stolz, ihre Angst oder beides - bislang blockiert hatte. Seit drei Jahren konnte sie sich nicht dazu überwinden. Und selbst jetzt, wo der Anruf ihre einzige Chance war, zögerte sie.
Sechsundfünfzig
Die Wolkendiebin
Während sie schwamm, suchte Aby nach Erklärungen - der Rost hatte mit irgendeinem Bestandteil der Luft reagiert, es handelte sich um eine optische Täuschung, ihre Augen waren müde. Sie tauchte immer tiefer und rief sich in Erinnerung, dass es zwei Anzeichen für das Dahingehen einer komatischen Seele gab. Erstens der blaue Blitz, zweitens die Übernahme der Wolke durch die Seele, die sich im Gegensatz zu den Seelen Normalsterblicher nicht der Wolke anpasste. Anstatt mit dem Regen wieder herunterzukommen, steigt sie in eine andere Welt auf. Obwohl bezüglich der Frage, wie viel Zeit eine Seele braucht, um in eine Wolke einzutreten, verschiedene Ansichten existierten, dauerte der Vorgang nach allgemeinem Dafürhalten weniger als zwei Stunden.
Aby tauchte, bis sie das Prairie Embassy Hotel entdeckte. Sie schwamm durch offene Türen und durch die Zimmer, zu Fenstern hinaus und wieder hinein. Endlich konnte sie sich wieder auf und ab bewegen, wie es ihr gefiel. Sie schwamm alle vier Treppen hoch und tauchte anschließend mitten hindurch in die Lobby, wo sie mehrere Salti schlug. Als sie sicher sein konnte, dass mehr als zwei Stunden vergangen waren, schwamm sie an die Wasseroberfläche zurück. Sie konnte sich jedoch nicht überwinden, gen Himmel zu schauen.
Mit geschlossenen Augen dümpelte sie drei Zentimeter unter der
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