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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Stolz und Erleichterung und der Wille, der wartenden Welt noch mehr zu beweisen. Wilbur lächelte, wenn man ihn darum bat, und gab kurze Interviews. Er stand eine halbe Stunde mit einem angetrunkenen Professor durch, der behauptete, Wilbur sei er selber vor fünfzig Jahren. Die Frau eines Jurymitglieds meinte, er sei ein hübscher Junge und solle sich bei ihr melden. Sie roch nach Parfüm und steckte ihm eine Visitenkarte in die Brusttasche des Jacketts, das Pauline für diesen Anlass gekaufthatte. Matthew traf ein paar alte Bekannte und knüpfte neue Kontakte, an die er sich Minuten später nicht mehr erinnerte. Trotz des Katers vom Vortag schien er sich gut zu amüsieren, behauptete vor dem Zubettgehen jedoch, das Geschwätz der alten Männer sei unerträglich gewesen, sein eigenes mit eingeschlossen. Er sagte Wilbur noch einmal, wie stolz und glücklich er sei, dann schlief er ein.
    Wilbur lag die halbe Nacht wach und blätterte in der Broschüre, die alle Endrundenteilnehmer erhalten hatten. Göteborg, las er immer wieder. Aus einem Ort etwa dreihundert Kilometer nördlich davon waren die Briefe seines Vaters gekommen.

8
    Ich habe zurückgefunden. Ich sitze im Hotel in einem Zimmer, das noch kleiner und schäbiger ist als das, das ich vorher hatte. Der Typ am Empfang hat mich gleich erkannt, als ich vor fünf Tagen in die Lobby trat. Er sagte, man habe nach mir gesucht, und wenn ich wegen meines Koffers hier sei, solle ich mich an die Polizei wenden. Ich sagte ihm, das sei mir alles bekannt, erzählte etwas von einem Unfall und Missverständnissen und einem leichten Fall von Gedächtnisverlust und dass jetzt alles geregelt sei. Er glaubte mir nicht, und ich nahm es ihm nicht übel. Ich habe ihm Vermeers Scheck gezeigt und gesagt, meine Ausweise seien verlorengegangen, was ja auch irgendwie stimmt. Sobald ich die neuen bekäme, würde ich den Scheck einlösen und für mein Zimmer bezahlen. Auch das hat er mir nicht abgenommen. Er meinte, wenn ich ein Zimmer wolle, müsse ich dafür arbeiten. Eine Stunde später war ich der neue Mann für alle Fälle, der Arsch, der die Müllcontainer in den Hof schiebt und Hundescheiße vom Gehsteig schippt, der Glühbirnen auswechselt und im Keller gegen den Heizkessel tritt, der Wäschesäcke schleppt und Fenster putzt und Böden saugt. Ich bin der neue Hausmeister, der erste Weiße und der erste, der eine Leiter braucht, um an die Lampen im Flur zu kommen.
    Meine Tage sind auf eine unordentliche Weise geregelt. Ich stehe um sieben auf und mache einen Rundgang durch die drei Stockwerke des Hotels. Mit einem Eimer gehe ich durch die Flure und das Treppenhaus und sammle den Müll ein, Zeitungen, Pappbecher, zerrissene Wettscheineund Briefe von Anwaltsfirmen und Sozialbehörden. Um acht esse ich auf dem Zimmer einen Doughnut und trinke zwei Tassen Tee. Gegen halb neun, neun wische ich vor dem Eingang und unterhalte mich dabei mit Winston, der auf einem Klappstuhl vor seinem Trödelladen sitzt. Eigentlich tauschen wir nur jeden Morgen ein paar Floskeln aus, bevor Winston über das Wetter fachsimpelt. Er ist um die sechzig und hält sich für einen Profi, wenn es um Prognosen geht. Gestern prophezeite er einen warmen Tag, und als es am Nachmittag saukalt wurde, saß er im Hemd vor seinem Laden, nur um recht zu behalten.
    Den Rest des Tages verbringe ich mit Putzen und kleinen Reparaturen. Ich habe zwei linke Hände und kann eine Rohr- nicht von einer Kneifzange unterscheiden, aber ich scheine damit durchzukommen. Randolph erwartet von mir nicht, dass ich eine Fensterscheibe ersetze oder eine Toilettenspülung in Ordnung bringe, für so etwas lässt er richtige Handwerker kommen. Ich bin für die einfachen Dinge zuständig, schraube eine neue Sicherung ein, fülle ein Loch in der Wand mit Spachtelmasse aus der Tube, streiche einen Geländerpfosten und ziehe die lose Schraube einer Türnummer an. Und ich wische mitten in der Nacht Erbrochenes auf und krieche in einen Lüftungsschacht, um eine tote Taube rauszuholen. Diese Tätigkeiten sind auch der Grund, weshalb ich den Job überhaupt bekommen habe.
    Bevor ich aufgetaucht bin, hat Randolph die kleinen, nicht allzu widerwärtigen Arbeiten selber erledigt. Ab und zu hat er einen Typ von der Straße oder einen der Stammgäste angeheuert, aber die alten Männer waren auf Dauer zu unzuverlässig und ungelenkig. Jetzt hat er mich. Das kleinste Zimmer und fünfzig Dollar die Woche sind zwar reine Ausbeutung, aber besser als gar nichts. Vom

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