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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Aber dann entströmte der Frau ein Seufzer, der den Stoff des Schleiers vor ihrem Mund bewegte, und sie hob den Kopf und sah Wilbur an. In ihren Augen hinter dem Vorhang aus schwarzem Stoff glaubte er Kummer zu erkennen. Er wollte fragen, was los sei, brachte aber keinen Ton hervor. Seine Lungen waren gefüllt mit abgestandener Luft. Die Frau griff in ihren Schoß und reichte Wilbur sein Geld.
    »Geh«, sagte sie. Ihre Stimme war leise, freundlich, eine Spur Traurigkeit lag in ihr. »Geh«, wiederholte sie ein wenig fordernder, als Wilbur sich nicht rührte. Sie machte eine Handbewegung, als wische sie Krümel von einer Buchseite, und ließ sich in ihren Sessel sinken, zurück in die Dunkelheit.
    Wilbur betrachtete seine Handfläche, in der die Geldstücke lagen, erhob sich schließlich und ging hinaus. Geblendet vom Licht, stolperte er auf den Stufen, und die Münzen fielen klimpernd zu Boden undrollten davon, unter geparkte Autos und den Wohnwagen. Wilbur ließ sie liegen. Er rieb sich die Augen, sah gelbe Sterne. Er war so durstig wie nie zuvor in seinem Leben. Aislin stand in einiger Entfernung und winkte Colm zu, der sich durch die Leute schlängelte. In einem Baum saßen Krähen. Ein Luftballon stieg empor, Kinder riefen. Wilbur sah ihm nach, er war blau und bald verschwunden, wie aufgelöst in der Farbe des Himmels.
     
    Als der Traktor auf dem Gelände des Sägewerks hielt, wieherte das Pferd und scharrte unruhig auf dem Bodenblech. Die Maschinen standen still, und Sean und die Männer kamen, um zu sehen, was Colm da brachte. Aislin und Wilbur hatten auf dem Markt einen Sattel und Zaumzeug und unterwegs zwei Säcke Hafer gekauft, jetzt hielten sie neben dem Anhänger, aus dem Colm das Pferd führte.
    »Was wird das, wenn’s fertig ist?« wollte Sean wissen. Er sah das Pferd nicht an, nur seine Frau.
    »Das ist Kierans Pferd«, sagte Aislin und tätschelte das Fell des Tieres.
    Fiona kam mit ihrer Puppe aus dem Haus. Conor, der auf sie aufgepasst hatte, folgte ihr. Wilbur und Conor nickten einander zu.
    »Dass es keine Kuh ist, sehe ich auch«, sagte Sean. Einer der Männer, Owen Hegarty, ein einfacher Mann ohne Träume, lachte und hustete. Sean scheuchte die Arbeiter mit einem Blick zurück in die Halle. »Was sollen wir damit?«
    »Habe ich doch gesagt, es ist für Kieran«, sagte Aislin.
    »Für Kieran? Bist du übergeschnappt? Was soll Kieran mit dem Gaul?«
    »Reiten«, sagte Aislin. Sie legte dem Pferd das Zaumzeug an. Colm half ihr dabei.
    »Reiten?« Sean lachte auf. »Er kann nicht mal geradeaus gehen! Wie soll er da reiten?«
    »Dein Sohn kann sehr wohl reiten«, sagte Aislin ruhig. »Wenn du einmal mitgekommen wärst und ihn gesehen hättest, wüsstest du es.«
    »Kann ich auch auf ihm reiten, Ma?« fragte Fiona, hielt aber einen sicheren Abstand zu dem Pferd, das sich beruhigt hatte und auf dem Hafer kaute, den Colm ihm in der Handfläche vor das Maul hielt.
    »Natürlich, Schatz«, sagte Aislin.
    »Conor, geh mit deiner Schwester ins Haus!« Sean zeigte mit gestrecktem Arm auf das Haus. Conor rührte sich nicht vom Fleck und schloss seine Hand fester um die von Fiona.
    »Wie heißt es?« fragte Fiona. Sie ignorierte ihren Vater mit der Respektlosigkeit einer Dreijährigen, die von einem drohenden Streit nichts ahnt.
    »Joy«, sagte Aislin.
    Fiona, noch immer an der Hand ihres Bruders, ging zu dem Pferd hin und berührte es mit den Fingerspitzen. »Joy«, sagte sie leise, und das Pferd nickte. Als der Motor der Bandsäge ansprang, schnaubte das Tier erschrocken und tänzelte nervös auf der Stelle. Aislin tätschelte seinen Hals und flüsterte ihm beruhigend ins Ohr.
    »Conor, ich hab gesagt, du sollst mit deiner Schwester ins Haus gehen!« brüllte Sean. Er packte Conor an der Schulter und schob ihn vom Pferd weg. Fiona stolperte. In Conors Augen lag blanker Hass. Sein Vater starrte Conor für den Bruchteil einer Sekunde verwirrt an und stieß ihn dann mit der Handfläche hart gegen die Brust. »Jetzt!«
    Conor strauchelte rückwärts, ohne seine Schwester loszulassen, und ging ins Haus. Blut rauschte in seinen Ohren, sein Herz hämmerte. Fionas Weinen kam von weit her, obwohl sie an seiner Hand ging. Das Haus war leer und dunkel und kam Conor so fremd vor, dass er im Flur stehenblieb und sich verwirrt umsah, bevor er hinauf in sein Zimmer ging. In der Küche lief das Radio, vor dem Conor und Fiona eben noch gesessen hatten, Werbung plärrte. In seinem Zimmer ließ Conor die Hand seiner weinenden

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