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Nach Hause schwimmen

Titel: Nach Hause schwimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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war enttäuscht von den Dingen, die ihm geboten wurden. Zwei dicke Frauen standen vor mehreren langen Kleiderständern auf Rollen, an denen Blusen, Röcke und Hosen in schreienden Farben hingen. Ein Mann saß hinter Stapeln von Musik- und Videokassetten und betrach tete ratlos einen Ghettoblaster, der den Geist aufgegeben hatte. Wortkarge Männer warteten neben Kisten voller Werkzeug, Ersatzteilen, Kabeln und Drähten, Bolzen und Schrauben und Muttern auf andere wortkarge Männer. Ein Mann und eine Frau aßen an einem Campingtisch zu Mittag und verhandelten zwischen zwei Bissen über den Preis von Teppichen und Gummistiefeln. Ein dösender Mann hockte inmitten von Möbeln, die weder antik noch modern, sondern auf eine tragische Weise zeitlos waren. Lampen wurden aus einem Lieferwagen, Hundewelpen aus einem Kofferraum verkauft. Eine Bauersfrau rief schüchtern das Wort Käse, und zwei kleine Mädchen schienen die Hoffnungverloren zu haben, ihre auf Zeitungen ausgelegten Spielsachen noch loszuwerden.
    Wilbur, der mit Orla durch die Kaufhäuser Dublins gestreift war, empfand den Markt als schlechten Witz, erstand dann aber doch eine Kassette mit Sinatra-Songs für Orla, ein winziges Taschenmesser an einem Schlüsselanhänger für Conor, und ein mit Glitzersteinen verziertes Feuerzeug für Colm.
    Als sie zu der Wiese kamen, dem Revier der Viehhändler mit ihren Lastwagen, Jeeps und Anhängern, sahen sie Conors Mutter, die neben ein paar Pferden stand und mit einem Mann in Stiefeln, Hut und grauem Anzug sprach. Sie gingen zu ihr hin, und sie erzählte ihnen aufgeregt, sie habe gerade ein Pferd für Kieran gekauft. Dabei streichelte sie den Hals des braun und weiß gescheckten Tieres, dessen Stirn ein weißes Karo zierte und das mit einem Strick an einen Lastwagen gebunden war. Colm sah sich fachmännisch das Gebiss und die Hufe der Stute an und befand dann, Aislin habe eine gute Wahl getroffen. Er schlug vor, den Anhänger zu holen, in dem er seine Kühe, Kälber und Schafe transportierte, und Aislin nahm dankbar an.
    Während Colm, der froh war, dem traurigen Trubel zu entfliehen, nach Hause fuhr, setzte Aislin Wilbur auf das Karussell und löste fünf Fahrten im Voraus. Wilbur saß im Flugzeug, dessen Körper silbrig funkelte, aber schon nach zwei Runden wurde ihm schwindlig und er wollte nicht mehr. Aislin ging mit ihm über die Wiese, und sie sahen sich die Kühe an, die Bullen und Kälber, warfen einen Blick in die Verschläge mit den Schweinen und Ferkeln und in die Käfige, in denen vor Hitze ermattete Hühner, Enten und Gänse hockten. Schafe dösten in Anhängern oder auf provisorisch eingezäunten Wiesenstücken, ein paar Esel ließen sich geduldig taxieren, und in einem Plastikzuber schwammen Entenküken herum wie Aufziehspielzeug. Ein Bauer setzte einen kleinen weinenden Jungen auf einen Esel, und Aislin erzählte Wilbur, wie glücklich Kieran immer sei, wenn er reiten dürfe.
    Weil es noch eine Weile dauern würde, bis Colm mit dem Anhänger kam, und weil Wilbur ein Rest Geld in der Tasche brannte, nahm er allen Mut zusammen und beschloss, die Wahrsagerin zu besuchen. Aislin, die nichts von Kartenlegen, Kristallkugeln und Kaffeesatz hielt, wolltedraußen warten und nach Colm Ausschau halten. Wilbur bat sie, nach ihm zu sehen, falls er in zehn Minuten nicht wieder erscheinen würde, und Aislin lachte, bis sie merkte, dass er es ernst meinte.
     
    Das Innere des Wohnwagens war mit dunkelblauer Farbe gestrichen, aus der gelbe Papiersterne leuchteten, die Fenster waren mit Tüchern verhängt, und aus einem Kassettenrekorder drang leise Musik. Es war heiß in diesem Ei, in dem die Frau zusammengekrümmt saß, einem Küken gleich, das nie geschlüpft war. Sie winkte Wilbur heran und bedeutete ihm, vor ihr Platz zu nehmen. Wilbur setzte sich auf den Hocker und legte den Betrag, den draußen ein Schild verkündete, in die mit Sternen aus Goldfolie beklebte Glasschale. Die Frau, die trotz der Hitze in mehrere Lagen bunter Tücher gehüllt war und deren Gesicht ein schwarzer Schleier verbarg, steckte das Geld ein und verlangte dann mit einer knappen Geste nach Wilburs Hand. Wilbur legte beide Hände mit der Innenfläche nach oben auf das rote Kissen und spürte, wie ihm der Schweiß aus den Poren drang. Die Frau beugte sich vor und kniff die Augen zusammen.
    Weil sie noch keinen Ton von sich gegeben hatte, fragte Wilbur sich nach einer Weile, ob sie vielleicht eingeschlafen oder in der Hitze ohnmächtig geworden sei.

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