Nach Norden, Strolch
Reise endete sogar damit, daß wir ins Wasser fielen. Können Sie uns ein Zimmer geben?«
»Nun - ja«, zögerte sie. Und dann, mit einem plötzlichen »Verzeihung«, lief sie durch eine Tür, kehrte aber sofort mit einem großen, rothaarigen Mann wieder zurück. Er kaute an einem Zahnstocher und betrachtete die beiden kritisch und abschätzend.
»Tja -« sagte er schließlich gedehnt. »Ich bin gar nicht davon überzeugt, daß Ihnen mein Hotel passen wird. Vielleicht gehen Sie besser zu Mrs. Hodges, die hat den ganzen Winter offen.« »Wir schließen nämlich morgen«, fügte die kleine Frau schnell hinzu, »alle unsere Pensionäre sind schon weg. Wir haben keine Dienstboten mehr.«
»Wir wünschen nur für eine Nacht Zimmer«, sagte Robin.
Der große Mann kaute weiter an seinem Zahnstocher und sah mit einem Auge auf seine Frau. Robin hielt dies für den gegebenen Augenblick, aus seiner unangenehm feuchten Tasche ein Bündel ebenfalls feuchten Papiers hervorzuziehen.
»Es wäre mir sehr lieb, wenn Sie das hier für mich trocknen würden«, sagte er, und beim Anblick von soviel zweifellos gutem Geld wurde der große Mann sofort bedeutend zugänglicher.
»Aber gern«, sagte er. »Zählen Sie es bitte erst, weil ich nachher keine Meinungsverschiedenheiten wünsche. Mutter, mach’ ein Zimmer für den Herrn und die Dame zurecht. Verheiratet?« fragte er.
Robin nickte. »Zwei Zimmer«, sagte er ruhig. »Wenn möglich zwei Badezimmer dazu.«
»Wir haben ja drei«, entgegnete der Besitzer stolz.
Er kam mit in den ersten Stock, um das Geld einzukassieren, und erzählte Robin, sie seien die einzigen Gäste im Haus. Zumeist schlössen sie schon Ende August, aber der September war so ungewöhnlich schön gewesen, daß eine ganze Anzahl Pensionen in dem Städtchen offen geblieben waren.
»Sie werden Kleider brauchen«, sagte der große Mann. »Soll ich das Warenhaus anrufen und bitten, Ihnen was herüberzuschicken? Vielleicht würde Ihre Frau auch gern etwas Trockenes anziehen?«
Das war ein glänzender Vorschlag. Robin war kaum aus dem heißen Bad heraus, als ein Verkäufer, glücklich, in der toten Saison Kunden zu finden, mit zwei großen Handtaschen ankam.
»Ich habe hier einen hellen Sommeranzug, den Sie in New York nicht für fünfzig Dollar finden -«
»Nein«, sagte Robin laut.
Sie aßen zu Nacht in einem großen, pompös geschmückten Eßzimmer, das sparsamerweise, außer der Lampe über ihrem Tisch, im Dunkel lag. Es war eine gut zubereitete Mahlzeit. Nach dem Essen lehnte sich Robin mit einem Seufzer der Befriedigung zurück und lächelte den großen Mann, der als Kellner fungierte, an.
»Wenn ich jetzt dem Wunsch nach einer Flasche guten Wein Ausdruck gäbe, würden Sie dann nach der Polizei schicken?«
»Nein, Sir. Ich würde nach dem Wein schicken. Was befehlen Sie?«
Zu Robins größtem Erstaunen brachte er mit der Geschicklichkeit eines Zauberkünstlers eine Weinkarte zum Vorschein, und wie ein Mann, der träumt, bestellte der Gast eine Flasche Rotwein.
Das war das erste bedeutsame Ereignis dieser Nacht. Das zweite geschah unter dramatischeren Umständen. Sie hatte sich in den Salon zurückgezogen, um über den nächsten Tag zu beraten, als sich die erste Andeutung von Schwierigkeiten zeigte. Neben dem Salon war das Büro des Besitzers, und nur eine sehr dünne Wand trennte die beiden Räume. Robin hatte schon mehrere Male das Telefon klingeln hören und wider seinen Willen verschiedene Gespräche belauscht, die weiter nichts gewesen waren als der unwichtige Austausch von Klatsch.
Der Verkäufer, der die Kleider gebracht hatte, hatte ihnen mitgeteilt, daß sie zwölf Kilometer von Ogdensburg entfernt seien. »In welcher Richtung?« fragte Oktober.
»Das hab’ ich ihn nicht gefragt. Er war ein sehr schweigsamer kleiner Mann. Noch nie ist mir ein Verkäufer begegnet, der weniger sprach.«
Er war gerade im Begriff aufzustehen, um nach einer Zeitung zu suchen, als er das Telefon wieder klingeln hörte und die Stimme des Besitzers vernahm:
»Was … ? Jawohl, Herr Inspektor …« Lange Pause. »Ja, zwei Leute … Stimmt; ein Mann und eine Frau. Warten Sie bitte einen Moment.«
Er stand auf und schloß die Tür seines Büros, was völlig überflüssig war.
»Ja, vor ungefähr einer Stunde …« Erneute Pause, dann bestürzt: »Was Sie nicht sagen …!«
Und dann wurde eingehängt. Sie sahen einander an.
»Zur Landstraße zurück«, sagte Robin leise. In diesem Augenblick kam der Besitzer
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