Nach Norden, Strolch
Gouverneurs. Aber diesmal hätte er gern auf das gesellschaftliche Ereignis verzichtet, das ihn in eine scharlachrote Jacke mit goldenen Epauletten und all den anderen prächtigen. Abzeichen seines Berufes zwang, und bei dem er die Honneurs machen mußte.
Denn am nächsten Tag begann sein Urlaub, und er hatte sich vorgenommen, den Nachtzug nach Quebec zu nehmen, von da aus per Boot nach Chicoutimi weiterzufahren und eine Fußtour nach dem Lake Kenogami zu machen. Sein Zimmer im Hotel ›La Bonne Ménagère‹ war schon reserviert, seine Plätze auf Dampfer und Bahn ebenfalls, da kam plötzlich eine wichtige militärische Persönlichkeit in die Stadt Quebec hinein, eine Persönlichkeit, die bekannt war für ihre Leidenschaft, im letzten Moment alle wohldurchdachten Programme umzustoßen.
Die wichtige militärische Persönlichkeit hatte schon von Robin und seinem Steckenpferd gehört und schickte nach ihm, als der Ball begonnen hatte.
»Man sagte mir, Sie hätten eine besondere Vorliebe für Fußtouren, Lord Rochford.«
»Ja, Sir! Ich bin ein ziemlicher Strolch.« Robin lachte, und da er eine gute Menschenkenntnis besaß, wagte er, seine Verlegenheit, in die ihn der unerwartete Besuch seines Gegenübers gebracht hatte, zu erwähnen.
»Um Gottes willen, lassen Sie sich doch nicht durch mich von Ihren Bergen abhalten!« lachte der Würdenträger freundlich. Er war ein durchaus natürlicher Mensch. »Ich werde Seiner Exzellenz sagen, daß ich gar keine Verwendung für Sie habe - Sie sind doch meiner erhabenen Persönlichkeit zugeteilt, nicht wahr? Auf alle Fälle sind Sie von mir beurlaubt!«
Robin fuhr fröhlich in sein Haus in Major Hill Park zurück. Als er aus dem Auto stieg, schlurfte eine ärmliche Gestalt über den Bürgersteig. Eine wimmernde Stimme verkündete mit leidenschaftlichem Ernst den Hunger ihres Besitzers. Robin lachte, während er seine Taschen durchsuchte.
»Bist ’n fauler Kunde, ›Penner‹! Wenn du hier nicht abhaust, kriegste mächtig was auf ’n Hut.«
Er ließ einen Dollar in die ausgestreckte Hand fallen. Sein Schlüssel steckte bereits in der Tür, als ihm ein Gedanke kam und er den Mann zurückrief.
»Wie steht’s mit dem Blindfahren, ›Penner‹?«
»Mies«, sagte der Mann. »Die Detektive von der Canadian Pacific hat der Satan selbst dressiert. Und doch muß ich Zusehen, über den Fluß zu kommen und den Expreß nach Albany zu schaffen - das ist eine richtige Stadt fürs Klinkenputzen; aber vielleicht krieg’ ich auch hier Arbeit.«
»Gute Fahrt«, sagte Robin und ließ ihn gehen.
Als er auf den Vorplatz trat, kam ihm Mortimer, sein Diener, entgegen und teilte ihm eine erstaunliche Nachricht mit.
»Bedaure unendlich, Mylord«, sagte er leise, »aber die gnädige Frau ist angekommen.«
Robin runzelte die Brauen. »Welche gnädige Frau?« fragte er argwöhnisch.
»Lady Georgina - und Mr. Loamer.«
»Zum Kuckuck, sind die angekommen!«
Er war nicht ganz sicher, ob er verärgert oder belustigt war. Seine letzte Besprechung mit Georgina hatte, obwohl sie in liebenswürdigen Formen verlaufen war, ihrer beider Beziehungen ziemlich gespannt.
Lady Georgina saß vor dem mit Blumen geschmückten Kamin. Er schritt auf sie zu und küßte ihre Hand.
»Georgina, du bist unbezähmbar«, sagte er und nickte dem jungen Mann zu, der verborgen hinter einer Abendzeitung dasaß. »Du bist eine herausfordernde Frau.« Er deutete auf die Kameenbrosche, die sie trug, als sei sie keine Brosche, sondern ein seltsamer Orden.
Die Rochford-Kameen sind weltberühmt. Keine andere Sammlung der Erde ist so vollständig. Robins Großvater war ein großer Sammler gewesen - weniger freilich die Gräfin Rochford von damals. Dieser lebhaften Dame bedeuteten Kameen nur Steine ohne besonderen Wert, und nach dem Tod ihres Mannes hatte sie der jungen Georgina eine überaus wertvolle Medici-Kamee geschenkt, die zwei Generationen von Rochfords seitdem vergeblich zurückzukaufen versucht hatten.
»Herausfordernd?« Sie blickte mit einem Lächeln der Zufriedenheit auf die Kamee hinunter. »Ein häßliches Biest, Robin, aber selbst mit tausend Pfund läßt sie sich nicht kaufen.«
Er lachte. »Ich weigere mich, mich ärgern zu lassen!« sagte er. »Morgen trete ich meinen Urlaub an. Übrigens, was tust du denn in Ottawa?«
Georgina blickte auf ihren Sohn.
»Wir sind auf dem Wege nach Hause; wir waren bei den Sullivans in New York. Alan wollte schnurstracks nach Quebec weiterfahren, aber ich hatte eine
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