Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
durch flacheres Wasser in die Tiefsee transferiert werden, gibt auch Pielke zu bedenken. Warum wird dann aber dort keine Wärmezunahme gemessen?, fragt er. Martin Visbeck kontert, es bestehe einfach noch großer Forschungsbedarf. Auch der Ozeanograf Eberhard Fahrbach vom Alfred-Wegener-Institut ( AWI ) sagt, dass die Messungen schlicht zu ungenau seien. Insbesondere auf der Südhalbkugel gab es bis 2002 tatsächlich nur spärliche Messungen von sogenannten Wegwerf-Thermografen, die vereinzelt von Schiffen aus ins Wasser geschmissen wurden. Zudem wurden seit 1992 auch Satelliten eingesetzt; diese liefern zwar großflächig Daten, vermessen allerdings nur die Meeresoberfläche.
Die zweite Position nimmt an, dass die Bojen-Messungen falsch sind. Seit 2003 observiert ein Heer von Bojen die Ozeane nahezu flächendeckend – inzwischen dümpeln mehr als 3200 dieser Bojen übers Meer. Es werde wohl noch einige Jahre dauern, bis die Bojen verlässliche Daten liefern, meint der Ozeanforscher Mojib Latíf vom IFM -Geomar. Am Ende würde die Energiebilanz des Klimas dann vermutlich aufgehen.
Forscher einer dritten Option meinen, dass der Energieeintrag der Sonne in die Atmosphäre falsch berechnet wurde. Auch bei den Satellitenmessungen zum Treibhauseffekt gibt es Unsicherheiten, die man berücksichtigen muss, sagt Detlef Stammer, Klimaforscher an der Universität Hamburg. Die Unsicherheiten und Fragezeichen bei der Strahlungsbilanz seien viel größer als bei den Meerestemperaturen, sodass Letztere gar nicht ins Gewicht fielen. Möglicherweise werde mehr Strahlung ins All zurückgestrahlt als angenommen, sodass sich Luft und Meere weniger stark erwärmten, spekuliert Pielke.
Die vierte und letzte Meinung besagt, dass kurzfristige Klimaschwankungen die »fehlende Wärme« nur vorgaukeln. Da das Klima von Natur aus schwankt, sind kurzfristige Ausschläge nach oben und unten normal. Trenberths Bedenken scheinen jedoch berechtigt. Er meint, dass allen Schwankungen zum Trotz die Strahlungsbilanz auch für kurze Zeiträume korrekt berechnet werden kann.
Das Rätsel der »fehlenden Wärme« bleibt. Solange nicht geklärt sei, wo die zusätzliche Energie geblieben ist, sagt Trenberth, könne man den Daten nicht trauen. Und mit dieser Haltung steht er nicht allein da. »Ich teile diese Einschätzung im Wesentlichen«, so Martin Visbeck vom IFM -Geomar. Die Energiebilanz des Klimas gehe nicht auf. Das Rätsel der »fehlenden Wärme« stürze die Klimatologen wieder mal in ein Dilemma, sagt denn auch Roger Pielke jr. Manche wollten die Unsicherheiten der Forschungsergebnisse nutzen, um die ganze Zunft zu verunglimpfen. Dieser Druck dürfe die Klimatologen jedoch nicht dazu verleiten, die Unsicherheiten zu verschweigen. »Man ist gespalten zwischen dem Bedürfnis, schnell Ergebnisse zu publizieren, und dem Wunsch, die Daten zunächst sorgfältig zu untersuchen«, erklärt Fahrbach. Genaue Messungen brauchen Zeit. Sein Aufruf an die Öffentlichkeit: »Habt Geduld!«
Ausdauer brauchen die Wissenschaftler auch bei einem anderen Rätsel der Meere: Seit Jahrzehnten suchen sie nach riesigen Wasserfällen im Nordatlantik. In mächtigen Strömen soll dort Wasser in die Tiefe rauschen. Doch bisher hat niemand die Giganten beobachtet. Im nächsten Kapitel weisen Forscher erste senkrechte Strudel nach – sind es die Ausläufer der gigantischen Abwärtsflüsse?
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Megawasserfälle im Atlantik
Mitten im Ozean, zwischen Grönland und Norwegen und vor Neufundland, sinken Unmengen Wasser von der Oberfläche senkrecht zu Boden – Tausende Meter tief, glauben Wissenschaftler. Ähnlich dem Abfluss einer Badewanne, so ein unter Forschern beliebtes Bild, ziehe der Sog 20-mal mehr Wasser in den Abgrund, als alle Flüsse zusammen ins Meer spülen. Die Theorie gilt als gesichert – auf ihrer Basis werden Golfstrom und Klimaprognosen berechnet. Das Problem: Bisher hat niemand die Giganten beobachtet. Und je länger die Suche dauert, desto rätselhafter werden sie.»Wo und wie das Wasser absinkt, wissen wir nicht«, sagt der Ozeanograf Jochem Marotzke, Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie. Obwohl seit beinahe 100 Jahren Forschungsschiffe in der Region kreuzen, die das Meer bis zum Grund erkundet haben, und stets Messbojen im Wasser treiben, konnten Wissenschaftler lediglich winzige Abwärtsstrudel identifizieren. Allein in der Labradorsee und vor Grönland soll zusammen 150-mal so viel Wasser absinken, wie der Amazonas ins Meer spült. Doch
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