Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
Nordatlantik, fehle dem Wasser das nötige Gewicht zum Absinken; folglich komme der Sog zum Erliegen. Der Kinofilm The Day After Tomorrow machte das Szenario 2004 auch unter Laien bekannt: Der versiegende Nordatlantikstrom stürzte Europa in eine Eiszeit. Und tatsächlich schien die Theorie nur ein Jahr später Wirklichkeit zu werden. Der Golfstrom transportiere ein Drittel weniger Wasser nach Norden, warnten britische Forscher in Nature . Sie beriefen sich auf Daten von fünf Schiffsexpeditionen zwischen 1957 und 2004, bei denen auf der Höhe der Kanarischen Inseln Strömungen an der Meeresoberfläche vermessen worden waren.
Es war ein Fehlalarm; die Forscher hatten zufällig zu einem ungünstigen Zeitpunkt gemessen. Überprüfungen ergaben, dass die nach Norden strömende Wassermenge stark schwanken kann – am Ende einer Woche kann sie neunmal größer sein als am Anfang. Viele Meereskundler wunderten sich, dass Nature die Studie überhaupt publiziert hatte. Die Stichhaltigkeit des Alarms hätte beispielsweise mit Daten aus der Tiefsee überprüft werden müssen. »Man hätte uns ja wenigstens mal anrufen können«, sagt ein Kieler Ozeanograf. Die Posse zeigt, wie lückenhaft die Kenntnisse weiterhin sind. 2007 konstatierten Ozeanologen erneut ein Stocken des Golfstroms, wieder beruhte die Warnung auf indirekten Messungen: Temperaturen und Salzgehalte in unterschiedlichen Wassertiefen hatten sich angeglichen, was ein Stocken glaubhaft machte. Ein dramatisches, verheerendes Szenario schien möglich: Die fortschreitende Erwärmung könnte die Gletscher von Grönland zum Tauen bringen. Da Schmelzwasser leichter als Salzwasser ist, würde es das Meerwasser in der Labradorsee verdünnen, das folglich nicht mehr schwer genug wäre, um abzusinken – der Golfstrom würde versiegen.
Doch das Gegenteil geschah: Ausgerechnet im Winter 2007/2008, als sich die Wassermassen in der Labradorsee bis in eine Tiefe von 2000 Metern vermischt hatten, zeigte sich der Golfstrom-Motor vor Neufundland in Hochform. »Viele unserer Annahmen über den Ozean werden wir überdenken müssen«, resümierte daraufhin Susan Lozier von der Duke Universität in Durham im US-Bundesstaat North Carolina. Es gebe keine Anzeichen für ein Abbremsen des Golfstroms, zog im Frühjahr 2010 auch Josh Willis vom Jet Propulsion Laboratory der NASA Bilanz. Vielmehr habe sich die Strömung seit 1993 sogar um 20 Prozent verstärkt – trotz der Klimaerwärmung. Am Meeresgrund sei die Strömung mit unveränderter Kraft Richtung Süden geflossen, sagt Martin Visbeck vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel. Um die Zirkulation aufrechtzuerhalten, müsse massenhaft Wasser in die Tiefe getaucht sein. Wo es hinabgesunken ist, ist aber bis heute unbekannt.
Nicht nur die Tiefe der Ozeane ist rätselhaft, auch ihre Oberfläche: Im Südpazifik ist das Meer auf einer riesigen Fläche monatelang deutlich angeschwollen. Im nächsten Kapitel ergründen Wissenschaftler diesen gigantischen Wasserhügel.
8 Riesiger Wasserhügel im Pazifik
Das Wetter sorgt für Turbulenzen im Meer: Es peitscht Wellen auf, schiebt Strömungen an oder lässt Wasser verdunsten. Die Witterung kann sogar den Meeresspiegel heben – und das großflächig und über einen längeren Zeitraum hinweg: Im Südpazifik ließ ein Hochdruckgebiet den Pegel des Ozeans auf einer Fläche so groß wie Australien um sechs Zentimeter anschwellen – von Oktober 2009 bis Januar 2010. Von einem »Rekord«, einem »außergewöhnlichen Maximum« sprechen Carmen Boening und ihre Kollegen vom California Institute of Technology (Caltech), die den riesigen Wasserhügel per Satellit entdeckt haben. Normalerweise werden witterungsbedingte Meeresspiegelschwankungen von höchstens ein bis zwei Zentimetern festgestellt. »Die beobachtete Änderung ist fünfmal so hoch«, sagt Boening.
Der Wasserhügel ist eine von vielen Entdeckungen, die den sogenannten Grace -Satelliten und ihrem Nachfolger Goce , die die Anziehungskraft der Erde messen, zu verdanken sind: Da Orte mit höherer Schwerkraft die Sonden beschleunigen, konnten Forscher ein präzises Kartenwerk der Erdanziehungskraft erstellen. Solche Karten zeigen die Gestalt, die die Erde hätte, wenn sie formbar wäre wie Knetmasse und wenn alle Berge und Ozeanbecken eingeebnet würden. Dann wäre die Erde kartoffelförmig – denn je nachdem, wie stark die Anziehung in einer Region ist, würde die Erdoberfläche verformt: Gebiete mit hoher Anziehung würden sich
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