Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
gefunden wurden dort bislang nur Rinnsale. Die senkrechten Strudel seien tatsächlich »klein und daher nicht wirklich direkt zu messen«, meint der Hamburger Ozeanograf Detlef Stammer. »Es ist eine Herausforderung, am richtigen Ort zur richtigen Zeit ein Messgerät zu haben.« Erschwert werde die Fahndung dadurch, dass das Wasser offenbar nur sporadisch absinkt und die Absinkgebiete sich verlagern, erläutert Stammers Kollege Detlef Quadfasel.
Dass die Abwärtsstrudel so schwer zu finden sind, erscheint kurios, schließlich sollen sie ein Motor sein für den gigantischen Kreislauf des Meerwassers; der Theorie zufolge treiben sie das globale Ozeanförderband an. Zu dieser sogenannten thermohalinen Zirkulation gehört auch der Golfstrom, der in tropischen Regionen entspringt, wo die Sonne das Meer an der Oberfläche aufheizt.
Der Weg aus den Tropen ins Nordmeer ist lang. Angetrieben durch Winde und abgelenkt von der Erdrotation, transportiert der Golfstrom Wasser vom Äquator in Richtung Norden. Mit welcher Geschwindigkeit das Wasser unterwegs ist, verdeutlichen Computersimulationen, denen zufolge eine Flaschenpost von Florida nach Westeuropa mindestens 24 Monate benötigt. In Wirklichkeit brauchen die meisten Flaschen sogar noch deutlich länger, selbst nach zweieinhalb Jahren Seereise dümpeln die meisten irgendwo im Mittelatlantik herum. Das Wasser schiebt sich nicht gleichmäßig wie ein Förderband vom Äquator nach Norden, wie Schulbücher suggerieren. Die Erddrehung zwingt das Wasser zum Kreisen; Wirbel lösen sich aus der Strömung. Der Golfstrom mäandert unentwegt, binnen zwei Wochen kann er sich um Hunderte Kilometer verlagern. Richtung Norden franst die Strömung aus und erlahmt. Ein Teil zweigt nach Süden ab und fließt zurück in Richtung Karibik, das nördliche Golfstromband hingegen fächert sich weiter auf, das Strömungsgeäst trägt nun die Bezeichnung Nordatlantikstrom. Wo genau seine Flüsse verlaufen, ist unklar, aber hier, im nördlichen Nordatlantik, soll es passieren: Das ohnehin schon schwere, salzhaltige Wasser kühlt stark ab, zieht sich dabei zusammen – und gewinnt so weiter an Dichte. Schließlich wird es so schwer, dass es in die Tiefe sinkt. Nahe dem Meeresboden fließt es zurück nach Süden.
Dass es den Golfstrom und seine Ausläufer nach Norden zieht, sorgt für erträgliches Klima in Nord- und Mitteleuropa: Ohne die tropische Wärmeenergie des Meeres, die einer Leistung von 500.000 großen Kernkraftwerken entspricht, herrschten hierzulande sibirische Temperaturen. Auf lange Sicht entscheidet das Meeresförderband über Warm- und Kaltzeiten. Um die Theorie zu bestätigen, legen sich die Forscher regelrecht auf die Lauer; sie wollen die absinkenden Wassermassen entdecken. Von Schiffen aus lassen sie Sonden ins Meer, die Schallwellen aussenden und deren Widerhall registrieren. Absinkendes Wasser dehnt die Schallwellen – so, wie sich der Klang der Sirene ändert, wenn ein Polizeiwagen schnell wegfährt. Die Geräte machen alle zehn Minuten eine Messung; nach spätestens drei Jahren werden sie geborgen. Hin und wieder haben sie kleine Strudel absinkenden Wassers registriert: Schlote von einigen 100 Metern Breite, in denen einzelne Rinnsale mit wenigen Zentimetern pro Sekunde abwärtsrieseln. Plankton wird mit in die Tiefe gezogen, für größere Lebewesen oder Schiffe bestehe keine Gefahr, sagt Quadfasel. »Das sind allerdings alles Angaben, die man aus nur wenigen Messungen abgeleitet hat.«
Um aber den Golfstrom anzutreiben, müssen der herrschenden Theorie zufolge riesige Mengen Wasser absinken. Dass dies wohl tatsächlich geschieht, scheinen ausgerechnet Atombomben zu beweisen: Nukleartests in den 1950er- und 1960er-Jahren hinterließen ihre Spuren im Ozean. Radioaktives Tritium rieselte weltweit auf die Meeresoberfläche, es verriet die Wege des Meerwassers. Der Golfstrom transportierte die Isotope nach Norden, dort wiesen Forscher sie in den Jahren darauf in mehr als 3000 Meter Tiefe nach. Zu Beginn der 1980er-Jahre hatten untermeerische Strömungen das Tritium zurück bis zur Südhalbkugel verfrachtet. Diese Austauschprozesse zwischen den Weltmeeren bestätigten die Theorie von der weltumspannenden Ozeanzirkulation.
Bald erkannte der Ozeanograf Wallace Broecker jedoch, dass die Zirkulation störungsanfällig sein musste: Nur wenige Promille Salz entschieden darüber, ob Europas ozeanische Fernheizung funktioniere. Verdünne zu viel Regen- oder Schmelzwasser den
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