Nach zwei Tagen Regen folgt Montag
als Beule bemerkbar machen, dort würden sich die Massen ballen. Dellen hingegen würden Gebiete niedriger Anziehung markieren. Vor allem Gestein im Innern der Erde verursacht die Schwerkraftunterschiede: Je massiger es ist, desto stärker die Anziehungskraft. Auch Bodenschätze, Magma, die Verschiebung der Erdplatten oder Grundwasser verändern die Schwerebeschleunigung. Goce macht die Schwankungen sichtbar: Seine Sensoren bemerken Unterschiede von einem Millionstel eines Millionstels. Selbst die Kraft eines Regentropfens, der auf ein Containerschiff fällt, wäremessbar, sagen die verantwortlichen Ingenieure. Die neuen Daten sollen vor allem Auskunft über Meeresströmungen geben.
Im Gegensatz zu den starren Kontinenten verformen sich die Meere entsprechend der Schwerkraft. Vor Indien etwa liegt der Meeresspiegel dauerhaft 120 Meter tiefer als normal, die vergleichsweise geringe Anziehung der Erde in der Region verursacht eine weiträumige Delle im Wasser – die Wassermassen zieht es in Gebiete höherer Anziehung. Seefahrer bemerken aber nichts von dem Tal, es erstreckt sich über ein derart großes Gebiet, dass es mit bloßem Auge nicht erkennbar ist. Die Schiffe müssen keine Energie aufbringen, um aus der Delle herauszufahren, weil überall an der Meeresoberfläche das gleiche Schwerepotenzial herrscht. Es müsste überall die gleiche Energie aufgewandt werden, um ein Objekt vom Erdmittelpunkt dorthin zu heben.
Die Verformbarkeit des Wassers sorgt dafür, dass es sich der Schwerkraft anpasst. Kurzfristige Wetteränderungen heben und senken den Meeresspiegel zusätzlich – wie die Entdeckung des Riesenhügels im Pazifik zeigt. Um solche Beulen aufzuspüren, vergleichen Wissenschaftler aktuelle Messungen von Goce und Grace mit früheren Karten der Anziehungskraft. Die Ursache des Riesenhügels entdeckten die Forscher auf einer Wetterkarte: Es herrschte stabiles Hochdruckwetter. Für lange Zeit wehte der Wind immer gleich – gegen den Uhrzeigersinn um das Hochdruckgebiet herum. »Der Wind war ungewöhnlich stark, und er hielt ungewöhnlich lange an«, sagt Boening. Er trieb das Wasser vor sich her, sodass auch die Meeresströmungen stets in die gleiche Richtung um das Hochdruckgebiet herumflossen; die Erddrehung zwang sie dazu, sich im Kreis zu drehen. Im Innern des Kreises staute sich das Wasser, das Meer schwoll um sechs Zentimeter an.
Während solche Meeresspiegelhügel entdeckt und erklärt worden sind, herrscht weiterhin Verwirrung um Objekte im Meer, die mit Satelliten eigentlich leicht zu erkunden sein sollten: Trotz der Späher im All verzeichnen Atlanten noch immer zahlreiche Inseln, die es gar nicht gibt. Im nächsten Kapitel machen sich Naturkundler auf die Spur von Phantominseln. Die Eilande entspringen fehlgeleitetem Entdeckerehrgeiz – oder auch nur der Rumflasche.
9 Inseln der Fantasie
Es ist ein Albtraum für Urlauber – und es könnte jeden treffen: Die Reise zur Trauminsel misslingt, weil das Eiland verschwunden ist. Ein abwegiges Szenario? Keineswegs. Im Golf von Mexiko haben Suchtrupps im Sommer 2009 mit Flugzeugen und Schiffen wochenlang nach Bermeja gefahndet, einer Insel, so groß wie Föhr. Obwohl die Insel auf Seekarten verzeichnet ist, gaben Wissenschaftler der Nationalen Autonomen Universität in Mexiko City das Scheitern der staatlichen Suchmission bekannt. Bei Bermeja handele es sich um eine »Phantominsel«. Womöglich müsse die Seegrenze des Landes nun landwärts verschoben werden, spekulierten einheimische Medien. Mexiko drohe den Anspruch auf Ölfelder im Meeresboden zu verlieren. Weltweit könnte der Fall ebenfalls Folgen haben, sofern er eine globale Inselinventur anregen würde.
Eine systematische Kartierung der abertausend Eilande auf den Weltmeeren steht noch aus. Solch ein Vorhaben könnte die Weltkarten deutlich entrümpeln. Umstritten sind beispielsweise zahlreiche abgelegene Riffinseln im Südpazifik mit klangvollen Namen wie Ernest-Legouvé, Jupiter, Maria-Theresia, Wachusett oder Rangitiki. 27.000 Scheininseln identifizierte ein arabischer Geograf bereits im 12. Jahrhundert. Da war die Zeit der großen Entdeckungen noch gar nicht gekommen. Ende des 15. Jahrhunderts wurde Christoph Kolumbus auf seinen Erkundungsreisen von Phantominseln getäuscht. Der genuesische Abenteurer wagte seine langen Seefahrten auch deshalb, weil er glaubte, unterwegs Inseln anlaufen zu können. Sein erster Hafen wartete angeblich gleich hinter den Kanaren. Auf mittelalterlichen
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