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Nachhaltig tot (German Edition)

Nachhaltig tot (German Edition)

Titel: Nachhaltig tot (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Brabänder , Karin Mayer
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Seine eisgrauen Haare hatte er mit Frisiercreme streng zurückgekämmt. Geisha sah in seiner Frisur einen Spiegel seines Wesens, aalglatt, immer perfekt, ohne jede Veränderung. So selten, wie ihm jemals eine Strähne in die Stirn fiel, so selten hatte er eine Gefühlsregung gezeigt. Heute bröckelte die Maske zum ersten Mal. „Was amüsiert Sie so sehr?“, fragte Geisha etwas unsicher. Sie wusste sehr wohl, dass Geschäftsmann die Doppeldeutigkeit ihrer Aussage über den Frühling verstanden hatte, sie war entsetzt, dass er über die Tragödie, die über sie persönlich und über ihr ganzes Land hereingebrochen war, lachte. „Es freut mich außerordentlich, dass ich Sie so erheitere. Dennoch verstehe ich Ihre gute Laune nicht ganz, zumal ich weiß, dass auch Sie Ihr Haus und Ihre ganze Habe verloren haben durch die Katastrophe, die uns heimgesucht hat“, wagte Geisha zu sagen. Sie hatte gehört, dass Geschäftsmanns Haus durch das Erdbeben völlig zerstört worden war. Ebenso wie sie hatte auch er seine gesamte Familie verloren. Sie hatten nie darüber gesprochen, obwohl die Trauer um ihre Zwillingsschwester Tomomi Geishas Gedanken beherrschte. Sie hatte geahnt, dass es besser sein würde, dieses Thema nicht anzusprechen. Geisha hatte im Zuge ihrer Ausbildung gelernt ihre Emotionen zu kontrollieren, Sympathie und Antipathie dem Auftraggeber gegenüber durften keine Rolle spielen. In dieser Situation war Geisha sich allerdings nicht sicher, ob ihr das gelingen würde. „Wie alles im Leben hat auch diese Katastrophe ihre guten Seiten“, antwortete Geschäftsmann und grinste. Geisha blickte ihn fragend an. „Manches Dokument ist mit meinem Haus von den Fluten des Tsunamis verschlungen worden und das bedauere ich keineswegs“, sagte Geschäftsmann. „Einige Informationen über meine Tätigkeit sind in den Weiten des Ozeans besser aufgehoben als in den Händen bestimmter Personen“, fügte Geschäftsmann hinzu. Geisha hatte verstanden. Unbändiger Hass stieg in ihr auf. Wie konnte er nur so egoistisch, kalt und berechnend sein. Geisha hätte ihm am liebsten ihren Zorn entgegen geschrien. Sie kämpfte ihre Wut nieder und ihre Selbstbeherrschung gewann Oberhand. Sie reichte Geschäftsmann eine Teeschale, die er nun doch ergriff, allerdings nur um gedankenverloren hineinzuschauen, als ob er darin ein Orakel erkennen könnte. Nachdem er geraume Zeit über die hellgrüne Flüssigkeit betrachtet hatte, sagte er ohne den Blick abzuwenden: „Vielleicht musste es so kommen? Wer weiß das schon.“ Nein, es hätte nicht so kommen müssen, dachte Geisha. „Nicht, wenn es Menschen wie dich nicht gäbe. Menschen, die ihre Machtgier und Maßlosigkeit über alles andere stellen. Geschäftsmann führte die Schale zum Mund und leerte sie in einem Zug. Geisha betrachtete ihn aufmerksam. Sie wusste selbst nicht so recht, was sie erwartete, aber irgendetwas sollte doch geschehen, dachte sie zumindest. Ihr war klar, dass Geschäftsmann sich jetzt nicht unter Krämpfen winden würde, das war ihr bisher auch noch nicht geschehen und sie trank jeden Tag von diesem Wasser, aber sie erwartete doch irgendeine Reaktion. Geschäftsmann reichte ihr die leere Teeschale mit einer langsamen Bewegung. Diese Geste, so empfand Geisha es, hatte etwas Endgültiges, Abschließendes und sie fühlte deutliches Unbehagen. Geschäftsmann sah sie mit unverhohlenem Begehren an. Sie hatte diesen Blick schon einige Male in Geschäftsmanns Augen aufblitzen sehen, aber bisher hatte er sich immer sofort wieder im Griff gehabt, jetzt hielt er dies wohl nicht mehr für notwendig. „Nanami?“, flüsterte er und griff nach dem Gürtel ihres Kimonos. Geisha schreckte zurück. Sie hatte, solange sie denken konnte, den Wunsch gehabt ein Leben als Geisha zu führen und seit sich dieser Wunsch erfüllt hatte, hatte sie einen Moment wie diesen gefürchtet.
    Sie hatte ihrer Familie keinesfalls von ihrem Traum erzählen können, nur Tomomi hatte davon gewusst, so wie sie beide immer alles voneinander gewusst hatten. Aber ihre Zwillingsschwester hatte geschwiegen, als Nanami mit fünfzehn Jahren das Elternhaus verlassen und vorgegeben hatte in ein Kloster gehen zu wollen, um buddhistischer Mönch zu werden. Die Eltern waren nicht überrascht gewesen von den Plänen ihres Sohnes, da er immer ein sehr stilles, in sich gekehrtes Kind gewesen war. Der Rückzug in die Abgeschiedenheit des Klosterlebens erklärte den seltenen Kontakt zu den Eltern. Nanami konnte ihn auf

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