Nachrichten an Paul
bin ich das nicht, soll Paul ruhig das letzte Wort haben. Das Allerletzte sogar, denn ich habe ja beschlossen, dass Paul in meinem Leben keine Rolle mehr spielt. Ich suche mein Handy in der Handtasche und finde Agathe. Ich stelle Agathe vor mich auf die Fensterbank. Da steht sie gut. Agathe sieht mich friedlich an. Ich komme in Versuchung auf das kleine Knöpfchen an ihrem Popo zu drücken und zu fragen, ob Paul in meinem zukünftigen Leben eine Rolle spielen wird. Aber ich traue mich nicht, ich bin ein Feigling, ein Feigling. Ein Feigling. Ich hole Luft und drücke auf das kleine Knöpfchen. Agathe nickt einmal. Ich hole tief Luft und mache den Mund für meine Frage auf.
„Heiratet der Hans-Dieter wirklich diese Russin?“, frage ich statt der Frage, auf die ich eigentlich eine Antwort will.
Agathe nickt zweimal kräftig. Da haben wir´s. Der Hans-Dieter, der ist kein Feigling, der heiratet eine wildfremde Russin, nur damit er jemanden hat, der mit ihm Walnüsse erntet und sich an seiner Schulter anlehnt. Ich dagegen traue mich nicht mal, eine einfache Frage an ein Stück Plastik zu stellen. Tschuldigung Agathe, ist doch so, du bist doch ein Stück Plastik, oder nicht? Agathe schüttelt den Kopf. Heftig. Alles, was vorstellbar ist, ist auch möglich, sagt Clara. Womöglich hat sie sogar recht. Ich fange mit meinen Übersetzungen an. Ich öffne den Computer. Ich gehe nicht auf Facebook. Ich sehe nicht das Entenfoto an. Ich stürze mich sofort in die Anleitung für den Wasserkocher.
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Herzlichen Glückwunsch zu dem Kauf Ihres neuen Heißwasserbereiters. Damit Sie lange Freude an ihrem Gerät haben, bitten wir Sie, sorgfältig die vorliegende Gebrauchsanweisung zu lesen, ehe Sie ...
Ich glaube, ehe ich hier irgendwas mit dieser angefangenen Wasserkocher-Übersetzung mache und schreibe, brauche ich erstmal einen Tee. Ich mache mir das Wasser heiß ohne Gebrauchsanweisung, ist ja schließlich nicht das erste Mal nicht wahr, und da fällt mir doch glatt der Hans-Dieter mit seinem mitgebrachten Teebeutel ein. Bringt einen einzigen Teebeutel mit und lässt sich Wasser heißmachen. Da sieht man mal wieder: Nicht alles, was möglich ist, ist auch vorstellbar, denn darauf wäre ich doch nie und nimmer gekommen. Ich gieße mir meinen English Breakfast auf, gleich eine ganze Kanne, damit es auch ein bisschen reicht, und tue einen Esslöffel Honig rein. Ich warte sechs Minuten, räume dabei aber schnell die Küche auf. Gieße den Tee in die Thermoskanne und setze mich wieder an den Schreibtisch.
Herzlichen Glückwunsch zu dem Kauf Ihres neuen Heißwasserbereiters. Damit Sie lange Freude an ihrem Gerät haben, bitten wir Sie, sorgfältig die vorliegende Gebrauchsanweisung zu lesen, ehe Sie das Gerät ...
Es klopft. Dona Ermelinda. Will wissen, wie´s mir geht. Geht mir ganz gut, finde ich. Ich präsentiere ihr die Folge: Anna und Clara im Eispalast. Ich führe ihr sogar Agathe vor. Jetzt sehe ich Dona Ermelinda zum ersten Mal sprachlos.
„Und diese Puppe weiß Antworten auf Fragen?“, fragt sie völlig zu Recht völlig ungläubig.
Agathe nickt mit dem Kopf und Dona Ermelinda schüttelt den Kopf.
„ Ai meu Deus “, sagt sie schließlich. „ Ai meu Deus .“
„Sehen Sie“, sagt sie dann. „Ist vielleicht doch nicht gut, wenn eine Frau so alleine wohnt. Manchmal ist ein Mann im Haus doch ganz schön.“
Sie macht eine Pause und wirft noch einen misstrauischen Blick auf Agathe.
„Es ist ja nicht nur die Arbeit, die ein Mann tut“, sagt sie schließlich. „Er leistet einem auch Gesellschaft.“
Agathe nickt, dabei habe ich nicht mal auf das Knöpfchen am Po gedrückt. Das soll einer verstehen. Wenn man eine Antwort möchte, gibt sie keine, und wenn man keine möchte, bekommt man eine.
„Bei meiner Cousine in Faro“, sagt Dona Ermelinda. „Also, bei meiner Cousine in Faro, bei der, wo die Mutter gestorben ist, und sie hatten der Mutter versprochen die Asche im Garten auszustreuen, aber das Enkelkind wollte das nicht, die kleine Isabel, die Jüngste von den Dreien, weil sie so an der Oma hing, die Kleine, sie hat immer gesagt: Ich möchte, dass Oma bei uns bleibt.“
Ich bleibe geduldig weiter stehen, weil ich denke, die Geschichte ist noch nicht zu Ende, und ist sie auch nicht. Heute ist ein schöner Tag, nach all dem Regen scheint endlich mal die Sonne und die Landschaft sieht gleich viel freundlicher aus. Die Fische blasen von unten Ringe in die spiegelglatte Oberfläche des Wassers und warten
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