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Nachrichten an Paul

Nachrichten an Paul

Titel: Nachrichten an Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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in den kleinen Zeichen nach, ein Teddy bedeutet eine Umarmung, Paul schickt mir eine Umarmung. Ach Paul. Ich denke an das Vorstellbare und das Mögliche. Aber mir fällt nur Unvorstellbares und Unmögliches ein. Ich lese mir diese Unterhaltung, wenn man sie denn überhaupt so nennen kann, noch dreimal durch und komme zu dem Schluss: Vielleicht ist es doch an der Zeit erwachsen zu werden. Nicht, dass ich gleich mit Hans-Dieter Walnüsse ernten möchte, aber vielleicht ist doch Miguel Moreira der Richtige, vielleicht hat Dona Ermelinda recht und dieses Alleinsein hier macht einen auf Dauer verrückt.
    Ich beschließe folgende Maßnahmen, muss mich ja nicht gleich auf eine Reihenfolge festlegen:
    Werde Clara fragen, ob sie mal abends mit mir ins Irish Pub geht, das Pub oben an der Kathedrale – und selbst wenn wir keine netten Typen kennenlernen, haben wir vermutlich wenigstens einen netten Abend.
    Werde die Asche ins Meer kippen. Schon aus wohnungs-feng-shui-mäßigen Gründen. Und außerdem, weil Dona Ermelinda sagt, man darf die Seelen nicht einklemmen, und versprochen ist versprochen, das muss man halten. Und das mit dem Meer, das habe ich Jan versprochen
    Werde mich im Datingcafé anmelden, nur mal so, ganz unverbindlich, sehen was passiert
    Werde meinen ganzen Mut zusammennehmen und werde mich mit dem Auto auf die Autobahn begeben und Miguel Moreira in Porto besuchen. Denn eingeladen hat er mich schon so oft. Und hingefahren bin ich nie. Und vermutlich ist es an der Zeit.
    Werde „ He Is Just Not That Into You “ bestellen und einmal im Monat ansehen. Bei Bedarf auch öfter. Werde Clara dazu einladen, die kann´s nämlich auch brauchen.

April
     
    Clara ruft mich an, ob sie bei mir wohnen kann. Die Nebenwohnung wird renoviert und sie hat von morgens bis abends Hämmern und den Lärm von Kreissägen um die Ohren. Wie soll sie da schreiben.
    „Ich habe nur noch zwei Wochen Zeit für Liebe mit Hindernissen “, sagt Clara.
    Ich sage klar, Clara kann kommen, dann können wir uns hier ein paar schöne Tage machen. Da können wir tagsüber schreiben und übersetzen, in den Pausen Kaffee trinken gehen und nachts Filme sehen.
    Clara kommt noch am gleichen Tag. Clara fährt einen Mini, den stopft sie mit ihrem Gepäck voll, einem Haufen nicht zueinander passender Reisetaschen, das Gegenteil einer gut aufeinander abgestimmten Louis-Vuitton-Kollektion. Ich habe Clara mal gefragt, warum sie sich so ein kleines Auto kauft, wenn sie immer so viel Gepäck hat. Und Clara hat gesagt, wenn sie ein größeres Auto hätte, dann hätte sie noch mehr Gepäck. Clara hat eine große Tüte Essen mitgebracht, lauter ausländische Spezialitäten, die es nur im Eispalast gibt – Matjesfilets und Meerrettich, und Quark und Schwarzbrot. Da können wir uns einen richtig deutschen Abend machen.
    Wir machen also eine anständige deutsche Brotzeit, wie wir es uns in den Achtzigern im Ausland vermutlich nie getraut hätten und sehen danach den Lehrfilm, der ist nämlich gestern gekommen. He Is Just Not That Into You . Wir setzen uns gemütlich vor den Fernseher. Wir stellen den Papierkorb zwischen uns, jede kriegt einen Nussknacker und dann sehen wir den Film und knacken Nüsse.
    „Das sind also die Nüsse von Hans-Dieter?“, sagt Clara.
    „Ja“, sage ich.
    „Gar nicht mal schlecht“, sagt Clara. „Klein aber fein.“
    Ich sehe Clara fragend an.
    „Jeder weiß, dass es nicht auf die Größe ankommt“, sagt Clara und ich verdrehe die Augen.
    Wir können ruhig reden bei dem Film, wir kennen ihn ja sowieso auswendig, nicht wahr. Wir sehen ihn ja nur, um uns an die Botschaft zu erinnern. Und die Botschaft ist – man kann es nicht oft genug wiederholen, im Grunde – wenn ein Mann nicht anruft, dann ruft er nicht an, weil er nicht anrufen will.
    „Mal was von Paul gehört?“, fragt Clara.
    „Paul, welcher Paul?“, sage ich, als ob es nie einen Paul in meinem Leben gegeben hätte.
    „Paul der Papa vom Prinzesschen“, sagt Clara.
    „Oh, der Paul“, sage ich. „Nö, nichts gehört.“
    Dröge Worte für den fiesen Zustand, dass dieser Paul sich doch nie wieder gemeldet hat, nicht auf Facebook, nicht auf Skype und das, obwohl er ständig online ist. Denn das kann man ja sehen, wer wann online ist. Oder hat er sich gemeldet? Mir ist jetzt dunkel irgendwie so, als ob er mir zuletzt eine Nachricht geschickt hätte. Bin ich hier vielleicht diejenige, die sich nicht gemeldet hat? Kommt mir jetzt geradezu so vor. Und jetzt bin ich mir

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