Nachrichten an Paul
zusammen ein. Nach Amsterdam. Sie sind sehr jung, vielleicht ist es ihre erste Urlaubsreise, wer weiß. Eine Oma wird von Tochter und Enkeln zum Schalter gebracht. Sie tragen ihr Gepäck. Oma checkt alles ein. Sie fliegt nur mit einer kleinen Handtasche. Sie nimmt ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und wischt sich immer wieder die Augen. Ich sehe wieder auf das Buch, das Clara mir in die Hand gedrückt hat. Es ist Liebe auf Umwegen .
Auf der ersten Seite steht eine Widmung.: für Anna - it takes two to tango – in Liebe Clara
Na Clara, die hat gut reden. Aber es ist eben immer einfacher klug zu reden als klug zu handeln. Das geht uns wohl allen so.
Ich gehe nach draußen. Es ist wohl Zeit nach Hause zu fahren. Es ist der erste kühle Tag, es wird Herbst, ich merke es, weil die Luft anders riecht, nach Herbst eben, aber so richtig benennen kann ich den Duft nicht. Es liegt einfach was Frisches in der Luft.
Ich steige ins Auto und steuere die Autobahn an, da stehe ich plötzlich vor Miguels Wohnblock. Ich denke: Wenn ich keinen Parkplatz finde, fahre ich einfach weiter. Aber da ist ein Parkplatz. Ich denke: Ich kann ja einen kleinen Moment parken, das heißt noch nicht, dass ich bei ihm klingel.
Ich parke und steige aus. Ich stehe vor dem Haus. Ich wünsche mir, ich hätte Agathe bei mir. Da könnte ich sie jetzt fragen: klingeln oder nicht klingeln? Und Agathe könnte nicken oder den Kopf schütteln.
Ein Mann kommt aus der Tür, er hält mir die Tür auf und schon stehe ich im Treppenhaus. Ich fahre mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock. Hier wohnt Miguel. Ich gehe zur Tür und klingel.
„Komm rein“, ruft Miguel. „Die Tür ist offen.“
Und in der Tat, die Tür ist offen. Miguel ist in der Küche. Er hat eine Schürze um, er kocht, es riecht gut und die ganze Küche ist ein ziemliches Chaos.
„Oh, du bist es“, sagt Miguel.
Mein Blick geht über den Küchentisch und die Zutaten. Da liegen Krabben und Krebse, eine Flasche Wein ist offen, Gemüse kocht in einem großen Topf. Miguel schlägt gerade Sahne. Das wird ein ziemlich edles und aufwendiges Essen. Wen hat er bloß erwartet?
„Vielleicht sollte ich lieber wieder gehen“, sage ich.
„Anna“, sagt Miguel. „Gibst du eigentlich immer so schnell auf?“
Na also. Also echt. Aber recht hat er natürlich irgendwie. Er kennt mich anscheinend besser, als ich dachte.
„Jetzt komm schon richtig rein“, sagt Miguel. „Ein paar Freunde kommen zum Abendessen, die meisten kennst du sowieso. Also bleib hier.“
„Wenn du es wirklich willst“, sage ich.
„Wenn du es wirklich willst“, sagt Miguel.
Wir kochen zusammen und es fühlt sich an wie ein altes Ehepaar. Ich mache den Salat und Miguel schmeckt die Salatsoße ab. Er erzählt mir von seinem neuen Projekt, einem Haus, das in der Altstadt saniert werden soll. Ich erzähle ihm, dass Clara weg ist, auf dem Weg nach Argentinien, um Tango tanzen zu lernen. Wir richten die Krabben auf Salatblättern an und decken den Tisch. Ich stelle die Nachspeise in den Kühlschrank. Miguel dekantiert den Rotwein.
Er schenkt uns beiden einen Portwein ein, als Aperitif. Aber noch ehe wir anstoßen können, sind auch schon die Gäste da. Es sind Vanessa und Tiago. Und Helena mit einer Freundin. Oder besser: Helena mit ihrer Freundin, denn so ist das nämlich mit Helena.
Tiago entschuldigt sich, er wollte eigentlich früher kommen und helfen wie versprochen, aber es hat einfach nicht geklappt, er war noch in einer Konferenz. Macht nichts, sagt Miguel, ich war ja da und habe ihm geholfen.
Beim Essen sitze ich neben Miguel. Und irgendwann traue ich mich und berühre ihn, ich lege die Hand auf seinen Oberschenkel. Miguel sieht mich von der Seite an. Dann legt er seine Hand auf meine. Ich weiß nicht, ob die anderen das mitkriegen, aber warum nicht, sie können es ruhig mitkriegen.
Wir essen viel und reden viel und lachen viel. Es ist schon spät, als sich alle verabschieden. Ich bin die Letzte, die noch im Flur steht.
„Und was ist mit dir?“, sagt Miguel. „Bleibst du oder fährst du?“
„Ich würde gerne bleiben“, sage ich. „Wenn das okay ist ...“
„Ob das okay ist?“, sagt Miguel. „Das ist sehr okay.“
Er kommt auf mich zu, er nimmt mich in die Arme und dann gibt er mir einen Kuss. Einen richtigen Kuss.
Wir räumen noch das Wohnzimmer und die Küche auf, damit da morgen nicht so ein Chaos herrscht, nicht wahr. Miguel räumt die Sachen in die Spülmaschine und ich räume die
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