Nachrichten an Paul
in Portugal wohnt. Mitten in der Pampa, auf seinem kleinem Hof ohne Strom und fließend Wasser. Ich setze ein neutrales Gesicht auf, kann Hans-Dieter ja nichts für, dass ich ihn so doof finde, nicht wahr. Und ich vertrete die Wie-man-in-den-Wald-hereinruft-so-schallt-es-heraus-Theorie und versuche mich daran zu halten, jedenfalls meistens. Hans-Dieter hält mir eine Tüte hin, einen Leinenbeutel.
„Hier“, sagt er. „Für dich.“
Ich sehe in die Tüte – voll mit Walnüssen. Ich denke: Hallo der Hans-Dieter, der ist ja richtig großzügig, wer hätte das gedacht.
„Sind die kleinen“, sagt Hans-Dieter. „Die großen verkaufe ich auf dem Markt. Aber die kleinen will ja keiner haben.“
„Äh, danke“, sage ich.
„Die Tüte brauche ich natürlich wieder“, sagt Hans-Dieter.
„Klar“, sage ich. „Aber klar.“
Ich schließe die Tür auf und weiß nicht, wie ich verhindern soll, dass dieser Hans-Dieter mit mir ins Haus kommt, und weil ich nicht weiß, wie ich es verhindern kann, kommt er natürlich mit rein. Direkt hinter mir. Ich ringe mit mir. Dann ringe ich mir ein Lächeln ab.
„Setz dich doch“, sage ich und zeige auf einen Stuhl.
„Nett hast du´s hier“, sagt Hans-Dieter und setzt sich.
Ich suche einen Behälter und finde keinen, und dann suche ich eine Plastiktüte und finde eine, und schütte die Walnüsse in die Plastiktüte und gebe Hans-Dieter seinen blöden Leinenbeutel zurück. Und der Höflichkeit halber setze ich mich auch hin, Hans-Dieter gegenüber. Er greift in seine Jackentasche und zieht einen Teebeutel raus und hält ihn mir hin.
„Vielleicht hast du ja ein bisschen heißes Wasser“, sagt er.
Und ich bin so platt, dass mir nichts einfällt, als doch in der Tat wieder aufzustehen und Wasser aufzusetzen. Ich nehme zwei Tassen und tue mir einen Beutel English Breakfast in meinen Becher und Hans-Dieters Teebeutel in einen zweiten Becher. Ich gieße den Tee auf, trage die Becher zum Tisch und setze mich wieder hin. Wir sitzen uns schweigend gegenüber und spielen ein bisschen mit unseren Teebeuteln.
„English Breakfast ist Abfall“, sagt Hans-Dieter. „Da kannst du gleich die Blätter vom Boden zusammenfegen und trinken.“
„Ich weiß“, sage ich.
Jetzt sieht er mich etwas erstaunt an.
„Hör mal, Anna“, sagt er jetzt. „Weswegen ich eigentlich hier bin ... „
Er macht eine Pause und sagt nichts und ich mache es ihm nicht leicht und sage auch nichts. Kann mir schon denken, warum er hier ist.
„Ich war neulich schon mal hier“, sagt er. „Aber da warst du nicht da.“
Er macht wieder eine Pause. Ich sage weiterhin nichts. Und ich spiele wieder mit dem Teebeutel.
„Ist doch so“, sagt er. „Was soll ich lange um den heißen Brei herumreden. Ist doch so. Du bist Witwe. Tut mir übrigens leid mit deinem Mann. Ich bin Witwer. Das passt doch. Ich suche eine Frau. Du willst doch bestimmt auch mal wieder einen Mann. Na, da können wir uns doch zusammentun.“
Ich lasse meinen Teebeutel in Ruhe und sehe Hans-Dieter an. Ich sehe: Das hat der jetzt wirklich ganz ernst gemeint. Der ist hier wirklich und versucht, mich mit fünf Kilo unverkäuflichen Walnüssen als Brautgeschenk zu einer Art Bauernehe zu überreden.
„Ich dachte, du willst die Russin heiraten“, sage ich.
Das erzählt er nämlich immer, auf den Deutschentreffen – dass er eine Russin in Moskau kennt, und die will er heiraten.
„Ja schon“, sagt Hans-Dieter. „Und die will mich ja auch heiraten. Aber ich würde lieber dich haben.“
Ich frage mich, was ich in diesen Wald hereingerufen habe, dass es so herausschallt, da kann was nicht stimmen, das kann nicht sein. Ich hole Luft und versuche nicht auszurasten, weil Ausrasten widerspricht meinem Prinzip.
„Ach nö lass mal du“, sage ich. „Heirate ruhig die Russin. Vielleicht mag sie ja Walnüsse.“
„Weiß gar nicht, was das jetzt soll“, sagt Hans-Dieter. „Was ist denn mit den Walnüssen nicht in Ordnung?“
„Mit den Walnüssen ist alles in Ordnung“, sage ich.
Dann sagen wir wieder eine ganze Weile nichts. Ich spiele mit meinem Teebeutel und Hans-Dieter schlürft seinen Tee. Dann steht er auf.
„Tja, dann will ich mal wieder“, sagt er. „Das Land ruft, ich muss an die Arbeit.“
„Tja dann“, sage ich und halte Hans-Dieter die Tür auf und er geht.
Bei mir ruft nicht das Land, sondern der Schreibtisch. Da lauert haufenweise Arbeit auf mich. Und ich bin Paul eine Antwort schuldig. Das heißt, eigentlich
Weitere Kostenlose Bücher