Nachrichten aus einem unbekannten Universum
verbraucht denn Ihr Konsortium auf 100 Kilometer?«
Und je mehr Öl es frisst, desto größerer Wertschätzung wird es sich erfreuen.
Davon kann die Autoindustrie nur träumen.
Kleindarsteller
Einen Begriff haben wir jetzt schon mehrfach gehört. Plankton.
Aber was ist eigentlich Plankton?
Andy Warhol hat gesagt, jeder Mensch werde künftig 15 Minuten lang berühmt sein. Damit spielte er auf die Mediengesellschaft an, die er kommen sah. Angeblich entfuhr ihm seine legendär gewordene Bemerkung nach Ansicht eines Monumentalfilms von Cecil B. De Mille, in dem zehntausend Statisten durch bloßes Vorhandensein zu anonymem Ruhm gelangten. Für die Dauer weniger Augenblicke spielten sie tatsächlich eine tragende Rolle: ohne sie kein römisches Heer, kein Volk Mose, keine vollen Ränge im Kolosseum, keine Massenpanik.
Sie, die Kleindarsteller, sind das Plankton der Leinwand. Alle, die für ein paar Dollar durchs Bild laufen, um sich im Kampfgetümmel den Schädel einschlagen zu lassen oder mit einem Ozeandampfer abzusaufen. Aus ihren Reihen erwächst uns kein zweiter Einstein, kein Julius Cäsar, keine Sophie Scholl, keine Madonna. Planktonische Schicksale sind Kollektivdramen. Der Lebenszweck des Planktons ist das Überleben anderer. Beim Untergang der Titanic, beim Brand von Rom, beim Kampf um die Galaxis geht es freudig in den Tod, damit Held und Heldin einander in die Arme fallen und Nachkommen zeugen können, die wiederum Hauptrollen spielen werden. Masse erschafft Prominenz. Nicht Herrscher entscheiden die Schlachten, sondern das Plankton entscheidet, wer herrscht. Es ist der unbekannte Soldat, unverzichtbar, weil verzichtbar.
Wollte man den Kleindarstellern der Ozeane ein Denkmal setzen, müsste die Inschrift lauten: Dem unbekannten Krill. Oder: Der unbekannten Alge. Helden allesamt, doch unfähig, ihrer Bestimmung zu entgehen, Existenzgrundlage für Großmäuler wie Blauwale und Riesenhaie, für Herrscher also, die ohne Plankton abdanken müssten.
Wie so vieles in der Wissenschaft kommt der Begriff Plankton aus dem Griechischen und heißt frei übersetzt »das Umherirrende« oder »Umhertreibende«. Man kann auch sagen, Plankton löst keinen Fahrschein. Im Verkehrssystem der Meeresströmungen hat es keine Vorstellung davon, wo es hinwill, also lässt es sich treiben. Viele planktonische Lebewesen sind zwar zur Eigenbewegung fähig, und manche schwimmen bei Bedarf sogar recht flott. Der Schwarm als Ganzes jedoch wird von der Strömung bewegt. Ein Ruderfußkrebschen mag für seine Verhältnisse schnell sein, im ozeanischen Maßstab betrachtet kommt es kaum voran. Darum dient die Eigenbeweglichkeit vornehmlich dazu, in der Wassersäule auf- und absteigen und sich zu Riesenschwärmen zusammenrotten zu können. Zooplankton etwa verbringt seine Nächte gern an der Wasseroberfläche, während es tagsüber die schützende Tiefe aufsucht. Dafür muss es enorme Höhenunterschiede überwinden. Ein großer Teil des Planktons ist so fortwährend mit Etagenwechsel beschäftigt und im Übrigen bemüht, nicht abzusinken.
Sieht man von überhitzten Gewässern, reißenden Sturzbächen und mit Chemikalien belasteten Gewässern ab, findet man Plankton überall, in mehr oder minder dichter Konzentration. Was, wie schon im Falle der Mikroben, auf gewaltige Mengen schließen lässt. Wir mögen Hochhäuser bauen, es ändert nichts an der Tatsache, dass Menschen und alle landlebenden Organismen Flächenbewohner sind. Unser Ausdehnungsgebiet koppelt sich an die Koordinaten Länge mal Breite. Das Plankton hat außerdem die Tiefe zur Verfügung. Sein Lebensraum verhält sich zudem an Land wie der Inhalt eines Würfels zu dessen Oberfläche, womit über die weltweiten Vorkommen das meiste gesagt ist.
Im Wassertropfen haben wir schon einige Kleindarsteller kennen gelernt. Die winzigsten Vertreter des Planktons — Viren und Sporen — zählt man zum Ultraplankton: Nicht mal Zentrifugalkraft reicht aus, um sie von ihrem Lebensraum zu isolieren. In der nächsthöheren Kategorie, dem Nanoplankton, finden wir einzellige Pflanzen und Bakterien, auch sie nur wenige Tausendstel Millimeter groß und menschlichen Blicken entzogen. Zwei bis drei Millionen Bakterien finden in einem Fingerhut voll Wasser Platz; das schafft keine Brille. Ab 0,2 mm Größe sprechen wir dann vom Mesoplankton oder Mikroplankton. Mesoplanktonische Lebewesen erscheinen bei genauem Hinsehen als Pünktchen, die wenigsten lassen Formen und Farben erkennen, Adleraugen
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