Nachrichten aus einem unbekannten Universum
können sich nicht vermischen, wodurch der toxische Effekt ausbleibt.
Zwischen den Federkiemen Riftias siedeln Millionen Schwefelbakterien, die zusammen rund die Hälfte des Wurmgewichts ergeben. Schwarze Raucher liefern Musterbeispiele für symbiotische Gemeinschaften. Der Wurm fängt Schwefelwasserstoffmoleküle in seinen Kiemen für die Bakterien ein. Diese leben davon, knacken das giftige Zeug, behalten ein, was ihnen schmeckt, und stellen dem Wurm die Reste zur Verfügung. So bekommt Riftia von der putzmunteren Wohngemeinschaft alle lebenswichtigen Stoffe geliefert, die ein Tiefseewurm zum Glücklichsein braucht, und braucht nicht mal einen Darm, um sie zu verdauen.
Näher am austretenden Wasser wuchern die miteinander verklumpten Behausungen von Pompejiwürmern. Im Wesentlichen gleichen sie den Riesenbartwürmern, bewohnen wie diese weiße Röhren, sind allerdings kleiner. Ihr auffälligstes Merkmal ist das blumenartige Kopfende. Im Reich der Würmer dürften sie den Hitzerekord halten. 60 bis 80 Grad Celsius verkraften sie wie Menschen eine warme Morgendusche. Während der Blütenkopf in extrem heißes Wasser hinausragt, stecken sie mit dem Hinterleib in kühleren Zonen. Zwischen ihnen schlängeln sich aalartige Fische, so genannte Aalmuttern, die sich von Schwärmen winziger Flohkrebse ernähren. Wächtern gleich patrouillieren dicke weiße Schlotkrabben mit kräftigen Scheren zwischen den Riftia-Feldern. Man trifft auf winzige Garnelen und Seeanemonen. Rund um die BartwurmKolonien erstrecken sich zudem Kolonien weißer Riesenmuscheln und rotbrauner Schlotmuscheln. Die Riesenmuscheln leben ebenso mit Bakterien in Symbiose wie Riftia, fressen sie aber auch. Ihrerseits sind sie gut beraten, rechtzeitig die Schotten dicht zu machen, wenn augenlose Furchenkrebse eindringen wollen. Ganze Heerscharen davon krabbeln in alles, was sie finden. Auch zwischen Riftias Wohnröhren turnen sie umher und versuchen, kleine Stückchen aus den blutroten Kiemen herauszuzwicken, woraufhin die Würmer blitzschnell in ihren Schläuchen verschwinden.
In vielem sind die hydrothermalen Lebensgemeinschaften des Pazifiks und Atlantiks einander ähnlich, doch grundverschieden im Detail. Im Pazifik fehlen oft die atlantischen Bartwürmer, dafür wimmeln dort Schwärme grauweißer Garnelen. Man fühlt sich an Bienenvölker erinnert. Eine genauere Untersuchung der Garnelen ergab, dass sie sich tatsächlich wie Bienen verhalten. Ihre Sozialstruktur weist erstaunliche Parallelen auf. Da sie nicht völlig blind sind, sondern über winzige Sehorgane verfügen, können sie neue Lebensbereiche aufspüren. Es ist zwar finster in der Tiefe, doch seit kurzem weiß man, dass hydrothermale Quellen ein schwaches Leuchten abstrahlen — Wegweiser für Immigranten.
Die Fähigkeit, aktive Raucher zu entdecken, ist überlebenswichtig für Schlotgemeinschaften. Denn die Tiefseemetropolen sind einsturzgefährdet. Maximal einhundert Jahre überdauert ein Raucher, spätestens dann beginnt er zu erkalten. Viele aber stellen die Hitzezufuhr aus dem Erdinneren schon nach zehn oder zwölf Jahren ein. Andere Gemeinschaften fallen hervorquellender Lava zum Opfer oder werden von Geröllmassen erstickt, wenn ein Kamin in sich zusammenbricht. In Ermangelung von Immobilienmaklern müssen sich die Überlebenden selbst auf die Socken machen, um neue sprudelnde Wohnstätten zu finden. Wie immer spielen die Bakterien Hase und Igel und treffen scheinbar vor allen anderen ein. In Wirklichkeit waren sie immer schon da. Sie haben einfach in der Erdkruste gewartet, bis sich Austrittstellen bildeten.
Nur Riftia und Pompejiwurm gehen regelmäßig mit den sterbenden Städten unter — und tauchen wundersamerweise immer wieder auf.
Damit des Erstaunlichen nicht genug. In den Achtzigern entdeckte man das Pendant zu den Schwarzen Rauchern: kalte Quellen, an denen nicht minder üppige Biotope gedeihen. Es sind Salzseen, Gewässer unter Wasser mit güldenen Gestaden, die sich als Muschelgemeinschaften entpuppen. Es ist verblüffend: Man schaut auf die Oberfläche dieser Seen und erwartet, Enten darauf paddeln zu sehen. Wie dunkle Spiegel liegen sie eingebettet im Grund, ohne jeden Sauerstoff, abgetrennt vom darüber lastenden Meer. So extrem dick und schwer ist das Wasser der Salzseen, so reich an Kohlenwasserstoff und Mineralien, dass es sich mit dem leichteren, darüber liegenden Wasser nicht vermischen kann. Im Inneren der Seen herrscht ein 400 Mal höherer Druck als an der
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