Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
aus dem jegliche Freude gewichen war. Darin war nur noch eine Mischung aus Traurigkeit und Gleichgültigkeit abzulesen. Das war einfach nicht mehr ich, das war keine Art zu leben. Glücklicherweise sah ich das auch selbst ein. Ich spürte, noch so ein Jahr würde mich kaputt machen. Und so weit wollte ich es nicht kommen lassen.
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31.5.–1.6.
Alles hat seinen Sinn
Ein Kleinbus bringt mich in Richtung des balinesischen Pendants zum Ballermann. Aus rein praktischen Gründen. Denn Kuta liegt nur einen Katzensprung vom Flughafen entfernt, und am späten Abend startet meine Maschine. Außerdem möchte ich hier noch ein paar Dinge kaufen. Und zum Shoppen ist Kuta mit seinen Tausenden Geschäften und spottbilligen Preisen prädestiniert. Zuvor hebe ich etwas Geld ab, ich bin fast pleite. Wenn ich die Kohle hier verbraten habe, liegen meine Ausgaben für drei Wochen bei umgerechnet gerade einmal sechshundert Euro. Fast alles ging dabei für die Zimmer und den Transport drauf. Zu zweit oder in einer Gruppe käme man sogar noch wesentlich günstiger davon.
Den gesamten Nachmittag verbringe ich damit, von Shop zu Shop zu rennen und gefälschte Markenwaren zu ersteigern. Nach einer Weile muss ich mich dann doch arg zusammenreißen, damit ich nicht ausraste und einem der Verkäufer am Straßenrand eine klatsche. Ich kann keine zehn Meter gehen, ohne dass ich von der Seite angelabert werde. «Transport?», ist der Klassiker unter den Fragen hier. Dicht gefolgt von «Taxi?» und «Motorbike?». Aber auch ein mehr schlecht als recht geflüstertes «Marihuana?» kriege ich am laufenden Band zu hören. Und wenn ich fünfmal am selben Typen vorbeigehe und fünfmal energisch seine Fragen verneine, dann fragt der beim sechsten Mal trotzdem wieder. Das Schlimmste ist, dass viele meinen, mich nicht nur ansprechen, sondern dabei auch noch anfassen und am Arm ziehen zu müssen. Viel fehlt nicht, und mir reißt die Hutschnur. Doch beim Handeln bin ich inzwischen ein Großer. Das weiß ich spätestens, als mich ein Ladenbesitzer förmlich aus seinem Geschäft schubst, weil er so sauer auf mich ist. Zuvor ist er nach ermüdenden Verhandlungen zähneknirschend auf mein letztes Angebot eingegangen. Ich gebe ihm einen saftigen Stoß zurück und schlurfe gemütlich mit meinem neuen Strandtuch davon.
Eine Badehose, ein Paar Flip-Flops und eine neue Sonnenbrille später lasse ich mich in einem Internetcafé nieder und verfasse den letzten Teil meines Newsletters. Als ich so darüber sinniere, was ich meinen Lieben in ein paar kurzen Zeilen mitteilen könnte, wird mir nach und nach bewusst, dass es mir einfach super geht. Diese Reise hat mir unheimlich gutgetan und tut es immer noch. Ich hatte vor dem Abflug die Befürchtung, dass ich nur vor meinen Problemen davonlaufen würde. Und wenn ich ganz ehrlich bin, glich dieser Trip anfangs tatsächlich einer Art Flucht. Ich wollte nur noch weg, ganz weit weg. Weg aus dem Alltag, hinaus in die weite Welt. Doch im Laufe meiner Zeit fern der Heimat habe ich wieder ein Stück weit Ruhe gefunden. Und das war wohl der eigentliche Sinn der Sache. Ich bin mir selbst wieder nähergekommen, und meine Prioritäten haben sich verschoben. Weg vom reinen Erfolgsdenken, das immer nur auf ein Resultat in der Zukunft abzielt. Hin zum Genießen des Augenblickes. In den vergangenen Monaten standen immer nur der Sieg, meine eigene Leistung und die Karriere im Vordergrund. Ich hatte zwischendurch schlichtweg vergessen, mich des bloßen, wunderbaren Lebens zu erfreuen. In aller Bewusstheit, mit allen Sinneseindrücken, die dazugehören. Einfach mal wieder mit Hingabe ein lange vergessenes Lieblingslied hören, minutenlang den ewigen Wasserlauf eines Flusses bestaunen, vorsichtig die Hand eines kleinen Babys greifen, verstohlen an einer duftenden Blume riechen oder einfach nur mit guten Freunden völlig kindisch und überdreht über einen versauten Witz lachen.
Ich bin noch jung, und mir steht die ganze Welt offen. Ich versuche in das Leben zu vertrauen, was immer im Laufe der Zeit auch kommen mag. Denn so undurchsichtig alles manchmal auch erscheint, im Endeffekt passiert ohnehin irgendwie immer das Richtige im Leben, und alles kommt, wie es eben kommen soll. So auch beim Fußball, hoffe ich. Ganz ohne diesen Sport werde ich auch in den nächsten Jahren sicher nicht auskommen. Es ist für mich unvorstellbar, für immer auf diesen runden Ball zu verzichten. Trotz allem. Wann ich der Kugel aber wieder
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