Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
waren.
Von der U16- bis zur U19-Jugend bestritt ich insgesamt dreiundzwanzig Länderspiele für Deutschland. Es war eine sehr schöne Erfahrung, sein Land voller Stolz gegen die größten Fußballnationen der Welt zu vertreten. Ich hatte das Glück, gegen nahezu jeden reizvollen Gegner antreten zu dürfen – unter anderem Brasilien, Argentinien, Spanien, Frankreich, Italien, Niederlande und England. Dort standen Spieler im Kader wie etwa David Silva, Yoann Gourcuff, Ibrahim Afellay, Giuseppe Rossi, Aaron Lennon oder James Milner, die wohl alle bei der WM 2010 dabei sein werden.
Auch aus unserer Mannschaft haben es ein paar Jungs inzwischen in die Bundesliga geschafft, beispielsweise Manuel Neuer, Florian Fromlowitz, Thomas Kessler, Eugen Polanski, Ashkan Dejagah, Aaron Hunt oder Georg Niedermeier. Sie verdienen vermutlich allesamt Millionen in den kommenden Jahren. Aber das Gefühl, mit dem Adler auf der Brust während der Nationalhymne auf dem Platz zu stehen und mitzusingen, kann mir, genau wie ihnen, keiner mehr nehmen. Oft bekomme ich heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke oder mir ein Länderspiel im Fernsehen anschaue.
Ein wahrhaft erhabener Moment. Das Abspielen der Nationalhymne.
Bis hin zu meinem eigenen ersten Länderspiel im Alter von fünfzehn Jahren war es eine kleine Odyssee. Startpunkt war die bayerische Landesauswahl. Hierfür musste ich mich zunächst über mehrere Trainingslehrgänge qualifizieren. Als ich das geschafft hatte, ging es mit der Mannschaft nach Duisburg. Dort findet in der Sportschule Wedau jedes Jahr die inoffizielle Deutsche Meisterschaft der Landesverbände statt, und wir vertraten unseren Freistaat Bayern .
Wir, das war ein bunter Mix aus Spielern des FC Bayern, der Münchner Löwen, vom Club aus Nürnberg und anderen kleineren Vereinen. Nie wieder habe ich erlebt, dass sich innerhalb einer Mannschaft binnen kürzester Zeit ein solcher Zusammenhalt entwickelte. Es passte einfach menschlich von Beginn an in dieser Truppe. Die Charaktere ergänzten sich nahezu perfekt. Wir waren in der wohl kargsten Ecke der Sportschule untergebracht. Ohne Fernseher auf den Zimmern, Duschen und Toiletten gab es nur in Gemeinschaftsbädern. Es wurde wahnsinnig viel gelacht beim abendlichen Kartenspielen oder bei den Mahlzeiten im Essensraum. Doch wenn es auf den Platz ging, dann brannten wir. Wir waren ein verschworener Haufen mit einem super Trainer, und so spielten wir auch. In der letzten Begegnung fehlte uns noch ein einziger Sieg für den Titel. Wir spielten den Gegner Sachsen-Anhalt förmlich an die Wand und behielten mit acht zu eins überdeutlich die Oberhand. Der Rest war großer Jubel.
Das Turnier an sich dient allerdings in erster Linie nicht dem Ausspielen der Meisterschaft, es ist vielmehr ein Sichtungsturnier. Aus all den Spielern soll die Jugendnationalmannschaft gebildet werden. Die Begegnungen waren nicht öffentlich, Fans am Spielfeldrand gab es nicht. Dafür umso mehr Beobachter. Bei jedem Spiel standen diverse Trainer des DFB mit Stift in der Hand an der Seitenlinie und notierten sich ihre Eindrücke zu den Akteuren. Nach dem Turnier erhielten dann von den mehreren hundert Spielern genau neununddreißig eine Einladung für den ersten Lehrgang der Nationalmannschaft, der ein paar Wochen danach abgehalten wurde. Auch ich bekam Post und war fürchterlich aufgekratzt, als ich das Kuvert aus dem Briefkasten fischte, öffnete und den Brief erst nach dem dritten Durchlesen mit einem breiten Lächeln wieder weglegte.
In einem mehrtätigen Trainingslager wurde dann weiter selektiert. In verschiedenen Trainingseinheiten und Testspielen wurden wir auf Herz und Nieren geprüft. Diverse Technikübungen am Ball, Zweikämpfe, Flanken, Torschüsse, die verschiedensten Spielformen, eben die gesamte Palette. Das Niveau hier war noch einmal einen Tick höher als zu Hause im Verein, vor allem das Spieltempo empfand ich anfangs als sehr rasant. Aber ich hatte den Eindruck, dass ich mich sehr beachtlich geschlagen hatte, und machte mir Hoffnungen, den Trainerstab überzeugt zu haben. Sicher sein konnte ich mir dennoch bei weitem nicht, dafür war die Leistungsdichte unter den Jungs einfach zu hoch. Im Prinzip hätte jeder von uns zumindest das Potenzial gehabt, es in das Team zu schaffen.
Dann war es so weit. Am Ende waren zwanzig Spieler die letztlich Auserwählten für das erste Länderspiel der neuformierten U16-Nationalmannschaft. Nationaltrainer Bernd Stöber rief nacheinander jeden
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