Nachspielzeit: Eine unvollendete Fußballkarriere (German Edition)
Sportfernsehen übertragen. Die Zeit von stundenlangen und hirnlosen Quizsendungen war damals zum Glück noch nicht gekommen. Ich war begeistert von der Power und Intensität der Spiele, dazu von der sensationellen Stimmung im Stadion. Und am meisten beeindruckte mich der FC Liverpool. Nicht weil sie die beste Mannschaft hatten, Meister wurden immer andere. Aber die Leidenschaft im Spiel der Roten packte mich von Anfang an. Und noch viel mehr diese sagenhaften Anhänger. Der FC Liverpool, das ist wahre Tradition und Hingabe. So sehen es die Leute dort, und das spürt man, sie leben für den Fußball. Zudem ist die Heimatstadt der Beatles die Wiege des wohl berühmtesten und emotionalsten Stadionliedes der Welt. «You’ll never walk alone», ein ehemaliger Musicalsong, in der Version von Gerry & The Pacemakers. Beim legendären Champions-League-Finale 2005 in Istanbul besaß ich schon längst mein erstes Trikot der «Reds». Unvergessen, wie das Team gegen den AC Mailand einen Drei-Tore-Rückstand egalisierte und dann auch noch im Elfmeterschießen die Oberhand behielt. Ich war vor dem Fernseher völlig aus dem Häuschen.
Das größte Highlight war aber ein Besuch an der Anfield Road, dem altehrwürdigen Stadion in Liverpool, im Winter 2008. Es gelang mir, über den FC Bayern zwei Karten zu organisieren. Als Normalbürger kommt man da fast nicht ran. Selbst Bayern München erhielt lediglich Karten für Scouts. Die Vereine sind untereinander verpflichtet, diese herauszugeben. Und für mich waren sie umsonst. Also buchte ich einen Flug und packte einen meiner besten Kumpels mit ein, der ebenfalls unbedingt dorthin wollte.
Das Spiel gegen die Bolton Wanderers fand am zweiten Weihnachtsfeiertag statt, dem sogenannten Boxing Day . Wir hatten beste Plätze und sogar Zugang zum Essensbereich der hohen Herrschaften. Na klar, wir waren schließlich offizielle Spielerbeobachter von Bayern München. Beim Gang durch den Raum kam uns gleich der verletzte Starstürmer Fernando Torres entgegen, mein Kumpel und ich sahen uns grinsend an. Ich ließ mich nicht lumpen und lief im eleganten Wintermantel plus modischem Schal auf, um meine Tarnung als Scout bloß nicht auffliegen zu lassen. Dass ich unter meinem Pullover ein knallrotes Liverpool-Trikot trug, konnte ja keiner ahnen. Wobei, die übrigen Scouts und Presseleute sahen mich doch ein wenig verdutzt von der Seite an, als ich kurz vor Anpfiff von meinem Sitz aufstand und das obligatorische «You’ll never walk alone» lauthals mit anstimmte. Aber sei’s drum. Immerhin kramte ich ja dann und wann einen Zettel heraus und kritzelte als Alibi verschiedene Spielformationen darauf. Die «Reds» siegten ungefährdet mit drei zu null, die Stimmung war famos. Immer wieder stimmte die berühmte Fankurve «the Kop» einen Song über meinen Lieblingsspieler Steven Gerrard an. Gänsehaut pur. Nach dem Spiel deckte ich mich noch mit kleineren Fanartikeln ein. Schon am nächsten Tag flogen wir in aller Früh nach Hause. Bei aller Liebe für den Club, ein Urlaubsparadies ist Liverpool nämlich nicht gerade.
Kurz vor dem Spiel mit den magischen Karten in der Hand.
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30.5.
Loslassen
Zu meinem Bedauern verlasse ich heute diesen traumhaften Ort. Doch immerhin bin ich inzwischen gleichmäßig und äußerst vorzeigbar gebräunt. Zudem freue ich mich auch langsam wieder auf daheim, auf meine Familie und Freunde, die ich bald wiedersehen werde. Ina ist auch schon früh wach, und ich sage Lebewohl. Auch die beiden Spanier werden noch ein bisschen auf Trawangan verweilen. Wir treffen sie ein letztes Mal unweit des kleinen Hafens. Es ist ein sehr herzlicher Abschied, besonders von Ernesto, den ich als wirklich feinen Kerl in Erinnerung behalten werde.
Mit der kleinen Nussschale fahren Leon und ich zurück nach Bangsal, wir betreten also wieder das Festland von Lombok. Leon hat sein Motorbike am dortigen Hafen geparkt. Sehr praktisch für mich, denn das bedeutet eine Mitfahrgelegenheit ohne Stress. Oder zumindest, ohne etwas zahlen zu müssen. Denn stressig wird es dann doch zwischenzeitlich – an einer besonders holprigen Stelle auf der Straße entgehen wir nur knapp einem fatalen Sturz. Auch der Rücken schmerzt schon bald ob der Last unseres Gepäcks. Doch alles in allem ist es eine lustige Fahrt an der Küste entlang mit schönen Ausblicken auf den Ozean zu unserer rechten und die grüne Pflanzenvielfalt der Dörfer auf der linken Seite.
In Senggigi lade ich Leon zum
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