Nacht der Geister
Der Wille und die Absicht müssen da sein. Ein bewusster Wille, eine bewusste Absicht.
Diese Hexe war im Zwiespalt, was ihren Wunsch anging. Aber Nixen brauchen und lieben das Chaos, und sie mögen es nicht, wenn man sie ruft und ihnen diese Belohnung dann vorenthält, also hat die Nixe einen Vorschlag gemacht. Sie hat der Hexe verraten, wie sie an eine Formel kommen konnte, die es der Nixe erlauben würde, den Körper der Hexe zeitweise in Besitz zu nehmen und die Tat selbst zu begehen. Die Hexe hat sich darauf eingelassen, und die Nixe . . . «
Die kindliche Parze unterbrach ihre mittlere Schwester; sie sprudelte geradezu über mit der Begeisterung eines Kindes, das den Rest der Geschichte ganz einfach selbst erzählen muss.
». . . hat sie daraufhin also in Besitz genommen und den Vater der Frau umgebracht. Und dann hätte sie den Körper zurückgeben sollen. Bloß hat sie’s nicht getan. Sie hat ihn dazu genutzt, allen möglichen Ärger zu machen.«
Die mittlere Schwester schaltete sich wieder ein. »Und viele Menschen sind umgekommen . . . darunter schließlich auch die Nixe selbst. Sie war in einem körperlichen Wesen gefangen und ist den Tod eines körperlichen Wesens gestorben. Weil sie die Gestalt einer Hexe hatte, ist sie hierhergekommen, in die Sphäre der Paranormalen. Wir haben nicht die Voraussetzungen, um mit QuasiDämonen umzugehen, aber es ist uns gelungen, sie in einer Höllendimension einzusperren. Für eine Weile jedenfalls.«
»Und sie ist entkommen.«
»Und das ist ein ernsthaftes Problem, weil diese Nixe eben nicht als Geisterwesen durch die Menschenwelt gleitet. Nachdem sie einmal einen menschlichen Körper bewohnt hat, kann sie es jetzt nach Belieben tun.«
»Das ist also der Zusammenhang. Es war gar nicht dieselbe Frau. Es war dieselbe Nixe in verschiedenen Frauen. Sie übernimmt die Kontrolle «
»Nicht ganz. Sie ist ein toter Geist, sie kann die Kontrolle über einen lebenden Körper nicht mehr vollständig übernehmen. Stattdessen muss sie ihn teilen und der Besitzerin die Entschlossenheit geben, ihre Wünsche auszuführen.«
»Dann kriecht sie also nicht in unschuldige Frauen und verwandelt sie in gemeingefährliche Killerinnen. Sind die Wirte immer Frauen?«
Die Parze nickte. »Nachdem sie sich beim ersten Mal einen weiblichen Wirt ausgesucht hat, ist sie jetzt daran gebunden.«
Ich zögerte. »Da ihr so viel darüber wisst, wie sie vorgeht, vermute ich mal, dass sie schon eine ganze Weile unterwegs ist.«
»Etwas über hundert Jahre.«
»Uhoh. Und ich nehme an, das bedeutet, dass ich nicht die Erste bin, die ihr hinter ihr herschickt.«
»Es hat drei andere gegeben, die vor dir gegangen sind. Wir haben drei verschiedene Vorgehensweisen gewählt, mit unterschiedlichem Erfolg, aber alle drei haben . . . ein schlechtes Ende genommen.«
»Was hat sie mit ihnen gemacht?«
Die kindliche Parze erschien, sie lachte. »Ihre erste Frage, und es ist gleich die, auf die keiner von den anderen auch nur gekommen ist. Wenn wir erwähnt haben, dass andere Versuche erfolglos waren, haben sie nur gefragt, wie die Nixe entkommen konnte. Das war es, von dem sie glaubten, dass sie es tun würde
ihnen entwischen und abhauen. Aber du weißt es besser.«
»Gesunder Menschenverstand, sonst nichts. Die beste Methode, das Gejagtwerden zu beenden, ist, die Person auszuschalten, die einen jagt. Aber das ist in diesem Fall ein Problem, stimmt’s? Einen Geist kann man nicht töten. Man kann ihm nicht mal körperliche Schmerzen zufügen. Also wie zum Teufel hält man ihn davon ab, einen zu verfolgen?«
Die mittlere Parze erschien wieder. »Es gibt Schlimmeres als körperliche Schmerzen.«
»Nicht, wenn man es richtig anstellt.«
Die Älteste tauchte auf, das finstere Stieren bereits eingeschaltet. »Du hast immer eine Antwort, stimmt’s?«
»Nein, ich habe nur darauf hingewiesen «
»Du willst wissen, was sie mit einer deiner Vorgängerinnen gemacht hat, Eve? Lass es mich dir zeigen.«
4
D er Wandschmuck des Thronsaals verschwand.Selbstder Fußboden löste sich in nichts auf, und ich wartete darauf, in irgendeine Höllendimension zu stürzen. Stattdessen stellte ich fest, dass ich nackt in grauem Nichts trieb.
Trieb ich wirklich? Unter meinen nackten Füßen erstreckte sich eine graue Fläche, glatt wie Glas, die mit dem grauen Himmel verschmolz. Ich konnte meine Füße auf dem Boden stehen sehen, aber unter ihnen spürte ich nichts. Ich schloss die Augen und senkte die Hand. Sie stockte
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