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Nacht der Geister

Nacht der Geister

Titel: Nacht der Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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auf Bodenniveau.
    Ich beugte mich vor, konnte aber immer noch keinen Druck an der Handfläche spüren.
    Okay, das war unheimlich. Aber trotzdem gab es tausend üblere Orte, an die die Nixe ihren letzten Verfolger hätte schicken können, und wenn diese etwas beunruhigende Illusion das Beste war, was sie zustande gebracht hatte, dann konnte ich nur lachen.
    Ich schloss die Augen und wünschte mir Kleidung. Als ich sie wieder öffnete, war ich immer noch nackt. Hm. Ich nehme an, die Nacktheit war ein Aspekt der Folter. Und für manche Leute wäre sie das vielleicht gewesen, aber ich bin nicht der Typ, der Alpträume davon hat, splitternackt durch ein Einkaufszentrum gehen zu müssen. Es kam also nicht weiter drauf an, vor allem angesichts der Tatsache, dass niemand da war, der mich hätte sehen können.

    Niemand, der mich hätte sehen können, und nichts, das ich hätte sehen können. Auch nichts, das ich gehört hätte. Das erinnerte mich an die erste Stunde, die ich als Geist allein verbracht hatte. Das Schockierendste an dieser Stunde war die Stille gewesen. Wenn wir am Leben sind, ist Stille ein relativer Begriff.
    Selbst wenn man es schafft, den gesamten Hintergrundlärm auszublenden das Klicken und Grunzen und Summen von Wasserrohren und Heizungen und Kühlschränken , hört man immer irgendwas, und wenn es nur das Geräusch des eigenen Atems ist. Aber wenn man tot ist, sind alle Quellen dieser Geräusche, die äußeren wie die inneren, verschwunden. Trotzdem hört man meistens noch irgendetwas, wenn man angestrengt genug lauscht die Schritte von jemandem, der vorbeigeht, das Lachen eines Nachbarn, das Zwitschern eines Vogels. Hier in dieser leeren Dimension war die Stille vollkommen.
    Ich konnte mir vorstellen, dass dies nach einer Weile wirklich lästig werden konnte. Sensorische Deprivation, so nannte man das wohl. Ich erinnerte mich, gelesen zu haben, dass derlei als eine Form der Folter eingesetzt werden konnte. Gar nicht dumm, wenn man es sich so überlegte. Es hinterließ keine Spuren, und niemand konnte einem vorwerfen, dass man seinem Gefangenen etwas antat, weil man schließlich absolut gar nichts tat. Interessant auf eine sehr theoretische Art.
    Im Moment allerdings sollte ich wohl nur verstehen, dass die Nixe mich an einen Ort schicken konnte, an dem ich nicht allzu viel Zeit verbringen wollte.
    »Okay « Ich brach ab. Ich hatte gefühlt, dass ich das Wort aussprach, aber ich hatte nichts gehört. »Okay, Ladys!«
    Die Stille saugte die Worte auf, bevor sie meine Lippen verlassen hatten.

    »Hallo?«, versuchte ich zu sagen. »Hallo, hallo, hallo!«
    Unheimlich, aber nichts, das weiter wichtig gewesen wäre.
    Die Parzen schienen mich hören zu können, ob ich nun laut sprach oder nicht. Wenn sie so weit waren, würden sie mich zurückholen. Ich setzte mich auf den Boden, um zu warten.
    Immer noch am Warten.
    Es mussten bereits mindestens zwei Stunden vergangen sein.
    Unverkennbar wollten mir die Parzen wirklich eine Vorstellung von dieser Einöde geben. Als ob ich für so was Zeit hätte. In Ordnung, wenn die mich nicht zurückholten, würde ich eben selbst etwas unternehmen.
    Ich sprach die Worte einer Reisebeschwörung. Ich konnte meine Stimme immer noch nicht hören, aber ich sprach, und einen Brüllbonus gibt es beim Formelwirken nicht. Ich brachte die Formel zu Ende. Es passierte gar nichts. Ich versuchte noch ein paar weitere und blieb, wo ich war. Schön. Ich konnte warten.
    Okay, jetzt reichte es mir allmählich. Ich war seit Stunden hier, hatte jede verdammte Formel ausprobiert, die ich kannte, sogar solche, die mit Fortbewegung überhaupt nichts zu tun hatten, und keine Einzige davon hatte funktioniert. Was glaubten die Parzen eigentlich, was sie da trieben? Sie hatten es mit einer mordenden QuasiDämonin zu tun, die wahrscheinlich in diesem Moment gerade die nächste Scheußlichkeit plante, aber das hielt sie nicht davon ab, ein paar Stunden zu investieren, nur um mich zu ärgern.
    Die alte Parze steckte dahinter. Sie hasste mich. Genau wie meine Lehrerin, Mrs. Appleton. Ich hatte nie herausgefunden, was ich getan hatte, um mir Mrs. Appletons Hass zuzuziehen, aber ich war nie das Gefühl losgeworden, dass sie irgendetwas in mir gesehen hatte, etwas Schlechtes, das nur darauf wartete, hervorzubrechen. Wenn die alte Parze mich ansah, hatte ich den gleichen Eindruck.
    Ich zog die Knie an die Brust, stützte das Kinn darauf und versuchte diese Gedanken aus meinem Hirn zu drängen. Sie klebten

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